DGFIT Satellitensymposium auf Urologischem Winterworkshop in Leogang

Symposium „Checkpoints 2018 in der Urologie“ mit Verleihung Clinical Science Award 2017
Die DGFIT auf dem 27. Urologischen Winterworkshop in Leogang/Österreich

Die Veranstaltung  eines Satellitensymposiums durch die DGFIT im Rahmen des alljährlichen Urologischen Winterworkshops in Leogang/Österreich hat bereits Tradition. Auch in diesem Jahr präsentierten hochkarätige Referenten/innen therapeutische und diagnostische Innovationen mit besonderem Fokus auf das Thema der checkpoint-Inhibition beim Nierenzell- und Urothelkarzinom.  Das Symposium fand unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Edith Huland, Hamburg, Prof. Dr. Michael Siebels, München und Prof. Dr. Hans Heinzer, Hamburg statt.

Am Ende der Veranstaltung wurde der jährlich vergebene Wissenschaftspreis der DGFIT (dotiert mit 2.000 €) an Frau Prof. Mascha Binder, Med. II am UKE Hamburg, verliehen, die im Rahmen eines kurzen Vortrages ihre Forschungsprojekte darstellte.


Checkpoints beim Nierenzellkarzinom
Prof. Dr. Christian Doehn, Lübeck


Derzeit sind neben den Zytokinen Interferon-alpha und Interleukin-2 insgesamt 13 Medikamente zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen bzw. kurz vor Zulassung. Neue immunonkologische Ansätze beinhalten u.a. zellbasierte und antikörperbasierte Strategien. Von den wohl in mindestens dreistelliger Zahl vorliegenden Checkpoints auf der Oberfläche von Immun- und Tumorzellen (u.a.) bzw. spielen beim Nierenzellkarzinom die antikörper-vermittelte Inhibitoren von PD-1 (z.B. Nivolumab), PD-L1 (z.B. Atezolizumab) sowie CTLA-4 (z.B. Ipilimumab) die derzeit größte Rolle, wobei von den genannten Medikamenten gegenwärtig nur Nivolumab zugelassen ist.

Nivolumab ist ein monoklonaler Antikörper und wird ohne Prämedikation in einer köpergewichtsbezogenen Dosis (3 mg/kg KG) über 60 Minuten alle 2 Wochen intravenös verabreicht. Andere PD-1 oder PD-L1-Inhibitoren (wie sie beispielsweise beim Urothelkarzinom bereits zugelassen sind) werden zum Teil in einer Fixdosis verabreicht. Ebenso kann ein dreiwöchiges Therapieintervall zur Anwendung kommen.      

Prinzipielle Einsatzgebiete beim Nierenzellkarzinom betreffen die metastasierte Situation (begonnen wurde in der Zweitliniensituation, aktuell wird auch in der Erstliniensituation therapiert) sowie die adjuvante Therapie bei Patienten nach operativer Therapie eines nichtmetastasierten Nierenzellkarzinoms. In letztgenannter Indikation sind die Studien noch in der Rekrutierungsphase.    

Auffällig ist für die Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms in der Zweitlinientherapie , dass von den drei entscheidenden Parametern der Effektivität progressionsfreies Überleben (PFS, progression-free survival), Tumoransprechen (RR, response rate) und Gesamtüberleben (OS, overall survival) das PFS gegenüber dem mTOR-Inhibitor (mTOR) Everolimus nicht verlängert ist. Allerdings zeigen sich höhere RR und auch ein verlängertes OS. Ebenso wichtig ist jedoch, dass mit oder ohne Fortführung der Therapie die Dauer eines Tumoransprechens in 2/3 aller Fälle über einen Zeitraum von 1,5 Jahren oder länger anhält.      

In der Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms hat gerade die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab ihre Überlegenheit gegenüber dem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Sunitinib im Hinblick auf das PFS, die RR und das OS gezeigt – allerdings „nur“ für Patienten mit intermediärer oder schlechter Prognose nach den IMDC-Kriterien. Bei Patienten mit guter Prognose zeigte Sunitinib bessere Ergebnisse für die Parameter PFS und RR. Auch in dieser Studie zeigten Patienten, die auf die Therapie ansprachen, ein langanhaltendes Ansprechen.     
Nebenwirkungen betreffen prinzipiell alle Organe, die „sich unter der Therapie entzünden können“. Je nach Organ machen sich diese Nebenwirkungen klinisch und/oder laborchemisch bemerkbar. Ein Auftreten der Nebenwirkungen ist typischerweise mehrere Wochen nach Therapiebeginn zu verzeichnen und kann auch bis 6 Monate nach Therapieende noch beobachtet werden. Der Einsatz von Steroide stellt einen wichtigen Eckpfeiler in der Therapie immunvermittelter Nebenwirkungen dar.    

Aktuell werden vor allem Kombinationen von zwei Checkpointinhibitoren miteinander (z.B. Nivolumab plus Ipilimumab) oder einem Checkpointinhibitor mit einem TKI versucht. Allerdings kam es unter der Kombination von Nivolumab und Ipilimumab auch zu einer Verdopplung von Grad3/4-Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Monotherapie mit Nivolumab (in der Zweitlinientherapie).
Zukünftige Aktivitäten müssen u.a. Antworten auf die folgenden Punkte liefern: Patientenselektion, Biomarker, (bildgebende) Bewertung des Therapieansprechens und Nebenwirkungsmanagement.

Checkpoints in der Urologie: Nebenwirkungsmanagement in der Praxis
Frau Prof. Dr. Angela Krackhardt, München

 

Die Checkpunktmodulation hat sich in den letzten Jahren zu einer effektiven Therapie bei verschiedenen malignen Erkrankungen entwickelt (Topalian SL et al., Cancer Cell,  2015).  Auch die urologischen Malignome gehören zu den Tumorerkrankungen, bei denen dieser Therapieansatz Wirksamkeit unter Beweis stellen konnte. Es sind inzwischen mehrere monoklonale Antikörper, wie die PD-1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab, die PD-L1-Antikörper Atezolizumab, Durvalumab und Avelumab sowie der Anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab in verschiedenen Indikationsbereichen der Uro-Onkologie zugelassen bzw. im Zulassungsverfahren (McDermott DF et al. J Clin Oncol., 2015; Powles T et al. Nature,  2014;  Motzer RJ et al. N Engl J Med., 2018).

Beim Einsatz von Immuncheckpunkt-Inhibitoren muss mit einem sehr spezifischen Nebenwirkungsspektrum gerechnet werden, das zumeist durch eine autoimmune Reaktion des Immunsystems gegen gesundes körpereigenes Gewebe ausgelöst wird. Obwohl die Monotherapie mit PD-1 und PD-L1-Antikörpern sehr gut verträglich ist, werden auch hier gelegentlich schwere Nebenwirkungen beobachtet. Diese treten hingegen bei Kombinationstherapien, wie beispielsweise der Kombination von PD-1- und anti-CTLA-4-Antikörpern, deutlich häufiger auf und können gelegentlich auch lebensbedrohlich sein, insbesondere dann, wenn keine schnellen Gegenmaßnahmen getroffen werden. Eine frühzeitige Diagnostik und Therapie ist daher von entscheidender Bedeutung. Die Nebenwirkungen treten häufig nach dem 2. oder 3. Zyklus der Immuntherapie auf, können sich aber auch schon früher oder deutlich später manifestieren, so dass die Patienten längerfristig überwacht werden sollten.

Obwohl prinzipiell alle Organe durch autoimmune Nebenwirkungen der Checkpunktmodulation betroffen sein können, treten einige Nebenwirkungen doch gehäuft auf. Bei der Monotherapie mit PD-1 und PD-L1-Antikörpern stehen insbesondere die Fatigue sowie Schilddrüsenfunktionsstörungen im Vordergrund. Letztere manifestieren sich zu Beginn häufig durch eine Hyperthyreose, die zumeist allerdings keine oder nur symptomatische Maßnahmen, wie den Einsatz von Beta-Blockern, erforderlich macht. Häufig geht die Hyperthyreose zu einem späteren Zeitpunkt in eine Hypothyreose über, die dann in der Regel eine Hormonsubstitution erfordert. Auch andere endokrine Organe und Achsen können von autoimmunen Nebenwirkungen betroffen sein, wie beispielsweise die corticotrope Achse, was prinzipiell, bei Ausfall der körpereigenen Cortisolproduktion, zu einer lebensbedrohlichen Situation führen kann. Bei der Kombinationstherapie werden weiterhin gehäuft zum Teil schwerwiegende Autoimmunnebenwirkungen am Darm, der Leber und der Lunge beobachtet. Die Patienten haben dabei organspezifische Symptome wie Durchfälle und Dyspnoe bzw. weisen im Blut einen Anstieg der Leberwerte und Entzündungsparameter auf. Bei der Therapie mit Checkpunktmodulatoren muss allerdings auch mit seltenen Nebenwirkungen, beispielsweise an Herz und Nervensystem gerechnet werden. Die primäre Therapiemaßnahme ist zumeist die Unterbrechung der Therapie und bei schwererem Ausmaß, einer Toxizität °3-4, der Beginn einer immunsuppressiven Therapie mittels Steroiden. Falls diese im kurzfristigen Verlauf zu keiner Besserung führen, sollte der Patient an einem erfahrenen Zentrum angebunden werden und es muss ggf. eine Mehrfachimmunsuppression begonnen werden (Haanen J et al. Ann Oncol, 2017).

Insbesondere unter der Kombinationstherapie sollten die Patienten daher wöchentlich klinisch untersucht werden und Laborkontrollen zur Überwachung der wichtigsten Organfunktionen erfolgen. Der Patient muss zudem über das potentielle Auftreten entsprechender Nebenwirkungen aufgeklärt werden, damit er bei entsprechenden Symptomen frühzeitig Kontakt mit seinen behandelnden Ärzten aufnimmt. Weiterhin sind die Ausstellung eines Notfallausweises sowie die Angabe von Notfall-Kontaktdaten von wichtiger Bedeutung. Durch diese Maßnahmen kann die Immuncheckpunktmodulation jedoch in der Regel sehr sicher angewendet und den Patienten damit eine sichere Therapie mit guten Ansprechraten bei fortgeschrittenen urologischen Tumorerkrankungen angeboten werden.

Checkpoints 2018 – was erwartet uns in der Zukunft
Prof. Dr. Dominik Rüttinger, Penzberg

Innerhalb der letzten Jahre ist die Immunonkologie in der Routinebehandlung zahlreicher Tumortypen angekommen. Tatsächlich wird zunehmend schwierig angesichts der vielen Neuzulassungen und Zulassungserweiterungen von Immun-Checkpoint-Inhibitoren (CPI) die Übersicht zu behalten. Derzeit laufen mehr als 800 Kombinationsstudien mit CPI als Bestandteil des therapeutischen Regimes. In Zukunft wird es also umso wichtiger werden, diejenigen Patienten zu identifizieren, die am wahrscheinlichsten auf Immuntherapeutika ansprechen und einen messbaren Vorteil durch die Behandlung erfahren. Nur so kann vermieden werden, dass Patienten unnötigerweise behandelt werden, der Gefahr von Behandlungsnebenwirkungen ausgesetzt sind, und die Behandlung letztlich mit einem ungünstigen Kosten/Nutzen-Verhältnis behaftet ist. Forscher von Roche/Genentech arbeiten derzeit intensiv an sogenannten prädiktiven Biomarkern für CPI aber auch für Kombinationstherapien und neuere immuntherapeutische Behandlungsstrategien. Als konzeptionelles „Framework“ dienen dabei zum Beispiel die Immunphänotypisierung von soliden Tumoren wie von Priti Hegde und Co-Autoren beschrieben (Abb. 1.), das sogenannte „tumor immunity continuum“. Eine weitere Hypothese hierzu wurde kürzlich von Dan Chen und Ira Mellman in der Zeitschrift Nature vorgestellt: der sog. „individual immune set point“ (Chen D. et al., Nature 2017). Dieser Punkt definiert sich durch zahlreiche Faktoren (genetische, Alter, Umwelteinflüsse, Vorbehandlungen, etc.), ist für jeden Patienten unterschiedlich, und hat damit entscheidenden Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, auf eine CPI Behandlung anzusprechen. In Zukunft kann es also Sinn machen, einen solchen Punkt individuell zu bestimmen und die Behandlung darauf zuzuschneiden.

 

Abbildung 1. Das sogenannte „Tumor Immunity Continuum“. Aus: Hegde P et al., Clin Cancer Res 2016

 

Biomarker und Mechanismen Checkpoint gerichteter Antikörpertherapie
Frau Prof. Dr. Mascha Binder, Hamburg


Die Immuntherapie von Krebs (Immunonkologie) entwickelt sich zunehmend zu einer weiteren wichtigen Therapiesäule der systemischen Tumortherapie, gerade aufgrund der jüngsten medikamentösen Entwicklungen in diesem Bereich. Ein Meilenstein war die Einführung der monoklonalen Antikörper in die Krebstherapie, die gezielt an Oberflächeneiweiße der Krebszelle andocken und diese vernichten. Viele dieser Antikörper haben allerdings – nicht zuletzt aufgrund von rascher Resistenzentwicklung – einen limitierten klinischen Erfolg gerade bei der Behandlung von Patienten mit soliden Tumoren.

Die immuntherapeutische Forschung der vergangenen Jahre hat nun höchst interessante und gänzlich neuartige Therapieprinzipien etabliert, mit denen sich eine Vision zu realisieren scheint, bei der das körpereigene Immunsystem des Krebspatienten medikamentös gegen die Tumorerkrankung scharfgeschaltet werden kann.

Paradebeispiel für eine solche Medikamentenklasse sind die Immun Checkpoint Inhibitoren, welche Bremsen im Immunsystem des Krebspatienten durch Antikörperblockade inhibitorischer Checkpoints (z.B. CTLA-4, PD-1 oder PD-L1) zu lösen in der Lage sind. Die bemerkenswerten klinischen Erfolge haben zur Zulassung dieser Therapeutika für Patienten mit Melanom, Bronchialkarzinom, Blasenkarzinom, Nierenzellkarzinom, sowie dem Morbus Hodgkin geführt. Ein Hauptproblem der Checkpoint Inhibitoren liegt allerdings darin, dass ein großer Teil der Patienten nicht von der Therapie profitiert. Biomarker zur Patientenselektion für diese kostspieligen Therapien werden daher dringend benötigt. Frühere Studien zu Biomarkern haben sich bislang – was das PD-1 Targeting angeht – hauptsächlich auf die Bestimmung der Expression des PD-1 Liganden PD-L1 im Tumorgewebe fokussiert. Tatsächlich weißt dieser Biomarker jedoch eine erhebliche Unschärfe auf. Viele weitere Faktoren scheinen das Ansprechen zu beeinflussen, u.a. die Tumorgenomik (Anzahl der Neoepitope, bestimmte Gensignaturen), die Infiltration des Tumors mit T-Zellen oder die T-Zell Klonalität.

Zukünftige Anstrengungen werden sich darauf richten müssen, einen einfachen, klinisch nutzbaren Surrogat-Biomarker zu identifizieren mit ausreichender Prädiktionskraft für das Ansprechen auf diese vielversprechenden immunologischen Therapien.

Das Symposium „Checkpoints 2018 in der Urologie“ mit Verleihung Clinical Science Award 2017 wurde unterstützt durch: