Der Vorstand der DGFIT freut sich, mit Herrn Prof. Uwe Wagner ein neues Vorstandsmitglied in seinen Reihen begrüßen zu dürfen.
Uwe Wagner war nach dem Studium der Humanmedizin an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn wissenschaftlicher Assistent an der dortigen Universitäts-Frauenklinik. 1995 wurde er Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und 1997 Leitender Oberarzt an der Bonner Universitäts-Frauenklinik. 1998 wechselte er an die Eberhard Karls Universität Tübingen und war bis 2002 stellvertretender Ärztlicher Direktor der dortigen Universitäts-Frauenklinik. Im Herbst 2002 folgte er einem Ruf nach Marburg und wurde Direktor der Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Endokrinologie und Onkologie. Nach einer Umstrukturierung wurde er 2014 Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe auf den Marburger Lahnbergen und später vom Aufsichtsrat der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH zum neuen Ärztlichen Geschäftsführer des Universitätsklinikums Marburg bestellt.
Seit 2002 baute Wagner sukzessive das „Brustzentrum Regio“ auf, mit dem sechs Krankenhäuser und 76 niedergelassene Frauenärzte zusammenarbeiten. Seit 2010 baute Wagner ein regionales onkologisches Versorgungsnetzwerk für die RHÖN-Kliniken mit zunächst zwölf Partnern in ganz Deutschland auf. Von 2016 bis 2020 hatte die chefärztliche Leitung der Gynäkologischen und Geburtshilflichen Abteilungen der Asklepios-Klinik in Lich inne. Seit 2018 baut er ein überregionalen onkologisches Versorgungsnetzwerk mit neun angeschlossenen ambulanten onkologischen Anbietern in der Region auf. Um die stationären und ambulanten OP-Kapazitäten zu restrukturieren und deren Effizient zu steigern, übernahm er im April 2020 zusätzlich die Leitung des OP-Managements am UKGM in Marburg. 2014 erhielt er den Preis für ausgezeichnete Lehre am Fachbereich Medizin.
Seit 2002 ist Wagner im Fachausschuss Gynäkologie der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen und wiederholt Mitglied der Bundesfachgruppe operative Gynäkologie. Seit 2012 koordiniert er die S3-Leitlinie „Maligne Ovarialtumoren“ und arbeitet seit dieser Zeit an der Entwicklung von Qualitätsindikatoren aus der S3-Leitlinie maligne Ovarialtumoren. Außerdem ist er Sprecher des German Board of Gynecology and Obstetrics. Seit 2020 ist er am DFG-Graduiertenkolleg „Das inflammatorische Tumorsekretom: Vom grundlegenden Verständnis zu neuen Therapien“ beteiligt.
„Mit Uwe Wagner wird der Vorstand um einen äußerst kompetenten Mediziner erweitert, der die Immun- und Targeted Therapie-Forschung in der Gynäkologie maßgeblich voranbringt. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit diesem nicht nur fachlich, sondern auch menschlich äußerst bereichernden Kollegen“, so Vorstandsvorsitzender Axel Hegele.
Die DGFIT unterstützt seit ihrer Gründung wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Immun- und Targeted Therapie. Unter anderem wird jährlich der mit 2.000,00 Euro dotierte Clinical Science Award vergeben. Ein unabhängiges Preiskomitee kam nach Begutachtung der eingereichten Arbeiten dieses Jahr zu dem Schluss, für den „Clinical Science Award 2023“ einen ersten und einen zweiten Platz zu vergeben, dotiert mit 2.000,00 Euro bzw. 1.000,00 Euro
1. Preis:
Mit dem 1. Preis des CSA 2023 wurde Dr. Sophia Stock (München) ausgezeichnet für ihre Arbeit „Chimeric antigen receptor T cells engineered to recognize the P329G-mutated Fc part of effector-silenced tumor antigen-targeting human IgG1 antibodies enable modular targeting of solid tumors“.
Zusammenfassung
Die Therapie mit chimären Antigenrezeptor (CAR)-modifizierten T-Zellen hat die therapeutischen Möglichkeiten von Patienten mit hämatologischen Erkrankungen maßgeblich verändert. Allerdings kann es auch hier zu Therapieversagen und Rückfällen kommen. Bei soliden Tumoren muss die Wirksamkeit der CAR-T-Zelltherapie überhaupt erst belegt werden. Gerade in soliden Tumoren, begrenzen behandlungsassoziierte Toxizitäten und die Antigenheterogenität der malignen Zellen den therapeutischen Erfolg der CAR-T-Zelltherapie. Um diesen vielversprechenden Behandlungsansatz weiter zu verbessern, können modulare CAR-T-Zell-Plattformen den entscheidenden Beitrag leisten. Klassische CAR-T-Zellen erkennen nur ein Tumorantigen und können somit nur Tumorzellen angreifen, die dieses spezifische Antigen tragen. Modulare CAR-T-Zellen wiederum binden ein CAR-Adaptormolekül, welches dann das Tumorantigen bindet. CAR-Adaptormoleküle sind typischerweise humane Immunglobulin G Antikörper, die mit einem spezifischen „tag“ (engl.: Kennzeichen) markiert sind, welches von dem CAR erkannt wird. Nachteil von diesem Konzept ist die Notwendigkeit der Entwicklung sowohl des CAR-Adaptormoleküles als auch des CAR-T-Zellproduktes.
Bei der P329G-Mutation handelt es sich um eine etablierte Fc-Mutation, die eine Interaktion des Antikörpers mit Fc Rezeptoren oder dem Komplementsystem verhindert und die bereits klinisch in diversen Antikörpern angewendet wird. Durch Verwendung bereits entwickelter und klinisch etablierter P329G-mutierter Antikörper als CAR-Adaptormoleküle bedarf es keiner zusätzlichen Einführung von artifiziellen „tags“ oder posttranslationale Modifikationen. Wir haben ein neuartiges und modulares CAR-Konstrukt entwickelt, das auf diese P329G-Mutation abzielt. Dies ermöglicht die Kombination von gegen P329G gerichteten CAR-T-Zellen mit bereits entwickelten effektorsilenten Antikörpern, die die P329G-Mutation in ihrem Fc-Teil tragen. Im Falle einer schweren CAR-assoziierten Nebenwirkung oder eines Antigen-negativen Rückfalles kann die Dosis des CAR-Adaptormoleküles angepasst oder das Adaptormolekül komplett ausgetauscht werden.
Wir konnten spezifische in vitro und in vivo Effektorfunktionen der anti-P329G CAR-T-Zellen in Mesotheliom-, Bauchspeicheldrüsen- und Brustkrebsmodellen zeigen. Zudem konnten wir die Modularität und Reversibilität dieser neuartigen CAR-T-Zell-Plattform in vitro und in vivo nachweisen. Dies bildet die Grundlage für die weitere Umsetzung dieser modularen CAR-T-Zellplattform für die Behandlung von Krebspatienten.
2. Preis:
Den 2. Preis erhielt Prof. Dr. Michael Koldehoff (Essen) für seine Arbeit „Long-Term Follow-Up after Adoptive Transfer of BK-Virus-Specific T Cells in Hematopoietic Stem Cell Transplant Recipients”
Zusammenfassung
Die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (alloSZT) gehört seit Anfang der siebziger Jahre zu einem Standardverfahren der Behandlung hämatologischer Neoplasien. Innerhalb der letzten Jahre ist eine kontinuierliche Ausweitung der Indikation dieser Therapieform zu verzeichnen. Auch konnten erhebliche Fortschritte in der Verfügbarkeit und Identifizierung passender Spender durch den Aufbau von Fremdspenderdateien und Nabelschnurbanken und den Einsatz haploidenter-Spender erzielt werden.
Dabei ist die alloSZT eine hoch komplexe, für die Patienten*innen1 sehr intensive Therapie, die zwar für viele, insbesondere hämatologische Erkrankungen ein hohes kuratives Potential besitzt, jedoch auf Grund der Komplexität auch ein hohes Risiko therapiebedingter Morbidität und auch Mortalität besitzt. Infektionen stellen eine wesentliche Komplikation in der Behandlung von Patienten mit hämatologischen Erkrankungen bzw. im Rahmen einer alloSZT dar. Das Risiko und der Schweregrad von Infektionen werden durch das Stadium der Grunderkrankung, die Vorbehandlung, die Transplantationsmodalität (z. B. Grad der HLA-Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger, Immunsuppression), die Rekonstitution der Hämatopoese und immunologische Reaktionen (z.B. Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung (GvHD) bestimmt. Unbefriedigend gelöste Probleme betreffen die Vermeidung und adäquate Behandlung von typischen Infektionsmustern mit hoher Frühtoxizität, vorwiegend in der therapieinduzierten Neutropenie bzw. der zellulären Immunsuppression durch antineoplastische Medikamente, Steroide und Antithymozytenglobuline sowie der Gabe von antiinfektiösen Agenzien dar. Abgesehen von den Viren der Herpesgruppe (Herpes-simplex-Virus, Varicella-Zoster-Virus, humanes Herpesvirus Typ 6 und 8, Epstein-Barr-Virus, Cytomegalievirus), die neben den bekannten klinischen Manifestationen, wie der Gürtelrose, auch generalisierte Krankheitsbilder in Form von Septikämien, Pneumonien und Enzephalitiden hervorrufen können, spielen auch andere Viren eine pathogene Rolle (z. B. Parvovirus B19, Papillomaviren, Adenoviren). Das BK Virus (BKV), ein DNA-Virus, das auch als Betapolyomavirus hominis bezeichnet wird, ist eine Ursache für schwere hämorrhagische Zystitiden und Nephropathien bei Patienten, die mit einer alloSZT behandelt wurden. BKV wurde erstmals 1971 aus dem Urin eines Nierentransplantat-Empfängers isoliert und trägt die Initialen B.K. dieser Person. Das Virus kann über Schmierinfektionen mit Urin, Tröpfcheninfektion oder kontaminiertes Trinkwasser übertragen werden, und in der erwachsenen Bevölkerung liegt die Ansteckungsrate mit BKV bei mehr als 80 %. Bei alloSZT-Patienten konnte neben dem Uroepithel auch der Gastrointestinaltrakt als wichtiger Persistenzort identifiziert werden. Das BKV bleibt nach der Primärinfektion persistent und kann während der Immunsuppression reaktiviert werden. Bei immunkompetenten Personen verläuft die BKV-Infektion jedoch in der Regel asymptomatisch. Bei immungeschwächten Personen nimmt die BKV-Replikation Geschwindigkeit und Ausmaß der BKV-Replikation zu und führt zur hämorrhagischen Zystitis und Nephropathie bei 5-50 % der Empfänger einer alloSZT. Die Inzidenz der BKV-bedingten hämorrhagischen Zystitis nach alloSZT variiert stark zwischen erwachsenen (bis zu 50 %) und pädiatrischen Empfängern (bis zu 25 %) sowie insbesondere unterschiedlich im Zusammenhang mit einer GvHD.
In der aktuellen Arbeit konnten wir herausfinden, dass um reaktivierte BKV bei symptomatischen Patienten nach alloSZT zu eliminieren, mehrere therapeutische Ansätze für die Behandlung der BKV-bedingten hämorrhagischen Zystitis verfolgt werden. Die Verringerung oder Beendigung der Immunsuppression um die Anti-BKV-Immunität zu verstärken, wurde in einigen wenigen Fällen untersucht, wobei ein günstiges Risiko-Nutzen-Verhältnis bei dieser Maßnahme gegen das Risiko einer Alloreaktivität mit Entwicklung einer GvHD zu berücksichtigen ist. Alternativ könnten die Patienten mit dem antiviralen Medikament Cidofovir behandelt werden, einem Cytosinderivat eines azyklischen Nukleosid-Phosphonat-Analogons, das ein breites Wirkungsspektrum gegen viele DNA-Viren einschließlich BKV aufweist. Zu beachten ist jedoch, dass BKV nicht über eine DNA-Polymerase verfügt. Die Behandlung mit Cidofovir kann ferner zu einer Nephrotoxizität und Neutropenie führen. Schließlich spielen virusspezifische T-Zellen (VSTs) eine Schlüsselrolle bei der Eliminierung einer reaktivierten BKV-Infektion als eine vielversprechende Behandlungsoption. Die Generierung und klinische Wirkung von BKV-spezifischen VSTs im Rahmen der alloSZT wurde von mehreren Gruppen beschrieben, jedoch sind Daten zur Überwachung BKV-spezifischer T-Zellen bei alloSZT-Empfängern weiterhin spärlich. Die meisten Studien berichteten über ausgezeichnete klinische Effektivitäten mit einem Rückgang der Viruslast und einer Verbesserung der Symptomatik bei 74-100 % der Patienten. Wir verglichen die Wirkung von VSTs mit anderen Behandlungsoptionen und verfolgten die spezifischen T-Zellen mit einem Interferon-gamma-ELISpot-Assay. Im Vergleich zu früheren Studien über zelluläre Reaktionen bei alloSZT-Empfängern nach Infusion von BKV-spezifischen VSTs war die Nachbeobachtungszeit länger (bis zu 910 Tage, d.h. 30 Monate, nach VSTs) und wir zeigen parallel die Zeitverläufe der BKV-spezifischen T-Zellimmunität, die Viruslast und der immunsuppressiven Medikation. Bei 12 von 17 alloSZT-Empfängern mit BKV-bedingter Blasenentzündung (71 %) konnten wir große Unterschiede der BKV-spezifische zelluläre Reaktionen beobachten. Bei den beiden Patienten, bei denen nur die Immunsuppression reduziert wurde, konnten wir einen Rückgang der Viruslast im Serum und/oder Urin feststellen und BKV-spezifische T-Zellen messen. Alle acht Patienten, die nur mit Cidofovir behandelt wurden, zeigten einen Rückgang der Viruslast. Die Hälfte von ihnen zeigten spezifische T-Zell-Reaktionen. Bei den beiden Patienten, die nur mit VSTs behandelt wurden, beobachteten wir eine Verringerung der Viruslast und konnten eine spezifische T-Zell-Immunität nachweisen. Fünf Patienten wurden mit Cidofovir und VSTs behandelt. Drei von ihnen zeigten eine Verringerung der Viruslast und vier zeigten eine BKV-spezifische T-Zell-Antwort. Bei den mit VST behandelten Empfängern zeigten 6 von 7 eine spezifische T-Zell-Antwort, bei denen ohne VST waren es 6 von 10. Im Vergleich dazu reagierten 27 von 50 gesunden Kontrollpersonen (54 %). Bei alloSZT-Empfängern, die wegen BKV-bedingter Blasenentzündung behandelt wurden, korrelierten die absolute Zahl der CD4+ T-Zellen und die Nierenfunktion mit den BKV-spezifischen zellulären Reaktionen (p = 0,03 bzw. 0,01). Bei einem Patienten konnte die BKV-spezifische zelluläre Immunität bereits zu Beginn, am Tag 35 nach der alloSZT und vor den VSTs nachgewiesen werden und blieb bis zum Tag 226 nach den VSTs erhöht (78 vs. 7 Punkte, Zuwachs). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der ELISpot geeignet zu sein scheint, die BKV-spezifische zelluläre Immunität bei alloSZT-Empfängern empfindlich zu überwachen, und zwar sowohl früh nach der Transplantation als auch langfristig nach VSTs.
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint.
Die Veranstaltung eines Satellitensymposiums durch die Deutsche Gesellschaft für Immun- und Targettherapie (DGFIT) im Rahmen des alljährlichen Urologischen Winterworkshops in Leogang, Österreich, hat schon lange Tradition. Auch in diesem Jahr präsentierten hochkarätige Referentinnen und Referenten therapeutische und diagnostische Innovationen. Das Symposium fand unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Siebels (München) und Prof. Dr. Marc-Oliver Grimm (Jena) statt.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch der jährlich ausgeschriebene Wissenschaftspreis der DGFIT an Prof. Dr. Ralf Kinscherf, Philipps-Universität Marburg für seine Arbeit „Macrophages in Prostate Cancer of Different Gleason Scores Compared with Benign Prostate Hyperplasia“ verliehen. (Klicken sie hier)
Prof. Dr. Laura-Maria Krabbe, Universitätsklinikum Münster Adjuvante Immuntherapien beim Nierenzell- und Urothelkarzinom
Adjuvante Therapien sollen in Situationen von Tumorerkrankungen nach kurativ intendierter Resektion potentiell vorhandene Mikroreste von Tumorzellen behandeln um die Rezidivrate zu senken, das Überleben zu verlängern und die Lebensqualität zu verbessern. In den letzten Jahren ist in der Urologie die Checkpointinhibition beim Nierenzell- (NZK) und Urothelkarzinom der Harnblase (UCB) auch im adjuvanten Setting eine wichtige Therapieoption geworden.
Seit 2022 ist in Europa der Checkpointinhibitor Pembrolizumab für Patienten mit reseziertem NZK und hohem Rezidivrisiko zugelassen. Dieses ist auf die KN 564 Studie zurück zu führen, die initial 2021 präsentiert wurde (Zitat KN 564 Studie, N Engl J Med. 2021 Aug 19;385(8):683-694. doi: 10.1056/NEJMoa2106391.PMID: 34407342). Diese Phase III Studie zeigte, dass die Rezidivrate von Patienten die in o. g. Situation für 1 Jahr Pembrolizumab erhalten haben, signifikant geringer ist als bei Patienten die mit Placebo behandelt wurden. Dabei hatten Patienten mit einer pathologisch nachgewiesenen lymphogenen Metastasierung, Patienten mit einem pT4 Befund, Patienten mit sarkomatoiden NZKs sowie Patienten in einer M1-NED Situation (Z. n. Resektion aller sichtbaren Metastasen die simultan oder während eines Jahres nach initialer Erkrankung aufgetreten sind) die größte Risikoreduktion durch die Checkpointinhibition. Daten zum Gesamtüberleben sind noch ausstehend. Trotz dieser noch ausstehenden Daten, ist die Zulassung von Prembrolizumab in o. g. Indikation aufgrund der signifikanten Verbesserung des primären Endpunktes des rezidivfreien Überlebens erfolgt und die Anwendung wird in der aktuellen Version der S-3 Leitlinie Nierenzellkarzinom empfohlen (Zitat LL Nierenzellkarzinom 2023, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/nierenzellkarzinom/).
Auch beim UCB hat die Checkpointinhibition in der adjuvanten Therapie Eingang gefunden. Nach der CheckMate 274 Studie, die bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko nach Zystektomie oder Nephroureterektomie die Anwendung von Nivolumab für 1 Jahr vs. Placebo bzgl. des Endpunktes Rezidivfreies Überleben geprüft hat, erfolgte die Zulassung von Nivolumab bei o. g. Patienten sofern die Tumore einen positiven Biomarker (Tumor-positive Score (TPS) von >= 1%) aufweisen (Zitat CM274 Studie, N Engl J Med. 2021 Jun 3;384(22):2102-2114. doi: 10.1056/NEJMoa2034442.PMID: 34077643). Zwar hatte auch die Gesamtkohorte in der Studie ein signifikant verbessertes rezidivfreies Überleben, aber der Effekt war in der Subgruppe von Patienten mit positivem TPS betont, sodass die Zulassung in Europa auf diese Patientengruppe begrenzt ist. Ergebnisse zum Gesamtüberleben sind auch hier noch ausstehend. Eine besonders große Risikoreduktion bzgl. eines Rezidives zeigte sich bei Patienten mit Z. n. neoadjvuanter Chemotherapie und relevantem Tumorrest im Zystektomiepräparat (ypT2-4 oder ypN+). Einen eher nachteiligen Effekt zeigte sich bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Urothelkarzinom des oberen Harntraktes, sodass für diese Patienten weiterhin wann immer möglich eine adjuvante platinhaltige Chemotherapie indiziert ist. Patienten mit UCB die eine adjuvante cisplatinhaltige Chemotherapie erhalten können und wollen wurden nicht in die Studie eingeschlossen und müssen bzgl. der Therapieoptionen individuell beraten werden. Die EAU Leitlinie geht sogar so weit, dass die adjuvante Immuntherapie nur mit Patienten zu besprechen sei, die keine adjuvante Chemotherapie bekommen können oder wollen (Zitat EAU LL Blasenkarzinom 2023, https://uroweb.org/guidelines/muscle-invasive-and-metastatic-bladder-cancer).
Neue Sicherheits oder Toxizitätsaspekte haben sich zu beiden Medikationen nicht ergeben, allerdings ist zu bedenken, dass in der adjuvanten Therapiesituation potentiell gesunde Patienten mit einer Immuntherapie dem Risiko von lebenslang fortbestehenden Nebenwirkungen ausgesetzt sind, sodass das Risiko durch den Tumor und ein etwaiges Rezidiv gut mit den potentiellen Risiken der Checkpointinhibitoren abgewogen werden müssen (Zitat KN 564 und CM274 Studie siehe oben).
Dr. Ute Seeland, Institut für Geschlechterforschung in der Medizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin Geschlechtersensible Medizin: Bedeutung für die Uro-Onkologie
Einleitung Die geschlechtersensible Medizin unter Berücksichtigung weiterer Diversitätsfaktoren (GSM+) beschäftigt sich mit den biologischen (sex) und soziokulturellen (gender) Unterschieden zwischen den Geschlechtern und erforscht den Einfluss auf Gesundheit und Krankheit. Das biologische Geschlecht wird gewöhnlich als binäres Geschlecht kategorisiert und das Gendergeschlecht ist ein Konstrukt, dass von einer theoretisch unendlichen Mischung von weiblichen und männlichen Charakterzuschreibungen ausgeht und damit als kontinuierlich oder vielfältig beschrieben wird. Die beiden Extremata sind definiert als 100% männliches Verhalten und als 100% weibliches Verhalten. Diese Definitionen basieren auf stereotypen Annahmen angepasst an die Region der Erhebung. Welchen Mehrwert könnte dieser Ansatz in der Medizin mit Blick auf die onkologischen Erkrankungen bringen? Männer haben eine höhere Krebsinzidenz und auch eine höhere Mortalität, doch bleibt die Frage, welche Ursachen dazu beitragen. Sich allein auf die biologischen Unterschiede zu fokussieren hat bisher noch nicht den Durchbruch in der Tumortherapie gebracht. Daher lohnt es sich, einen systembiologischen Ansatz zu verfolgen, der über die personalisierte Medizin hinausgeht. Die passgenaue Entwicklung der Chemotherapeutika ist das Ziel. Eine geschlechtergerechte individuelle Versorgung, die u.a. die krankheitsfördernden Umgebungsfaktoren berücksichtigt, könnte eine wichtige Ergänzung sein, um sowohl präventive Ansätze zu entwickeln als auch die Tumortherapien in der Wirksamkeit zu unterstützen. Die Geschlechterunterschiede beginnen in der Zelle bei den Geschlechtschromosomen. Die weibliche Zelle mit zwei X-Chromosomen bietet einen Erklärungsansatz für den zu beobachtenden Geschlechtsdimorphismus, sichtbar in einer geringeren Krebsinzidenz bei Frauen im Vergleich zu Männern. Um die Imbalance des Genoms zur männlichen Zelle (XY) auszugleichen, wird ein X-Chromosom inaktiviert. Allerdings entgehen ca 25% der X-Chromosom-gebundenen Gene dieser Aktivierung, so dass diese Genorte auf zwei Allelen aktiv sind. Liegen hier Tumorsuppressorgene, dann werden diese höher exprimiert bzw. beim Vorliegen einer Mutation auf dem einen Allel, kann die Funktion durch das andere Allel ausgeglichen werden. Diese EXITS – escape from X-inactivation tumorsuppressor – bieten für das weibliche Geschlecht einen gewissen Schutz. [Dunford, A., Weinstock, D., Savova, V. et al. Tumor-suppressor genes that escape from X-inactivation contribute to cancer sex bias. Nat Genet 49, 10–16 (2017). https://doi.org/10.1038/ng.3726]
Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland (RKI 2021: 237.160 Tote aufgrund von Krebs und anderen Neubildungen). Die Anzahl der Neuerkrankungen der häufigsten Krebsarten sind getrennt für das binäre biologische Geschlecht Frau und Mann für die Jahre 2008, 2014 und 2018 in Tabelle 1 dargestellt [RKI; Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) Stand 29.11.2021 https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Krebsregisterdaten/krebs_node.html]. Der Anstieg der Fallzahlen für alle Krebsarten gesamt, ist u.a. durch die Zunahme älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland zu erklären. Sexualhormonabhängige Tumoren, wie Brust- und Prostatakrebs kommen naturgemäß häufiger bei Frauen bzw Männern vor. Die Inzidenz, der nicht sexualhomon-abhängigen Tumoren variiert zwischen den Geschlechtern, obwohl Kolorektale Karzinome und Lungenkrebs die Liste bei beiden Geschlechtern anführen. Die Inzidenz von Darmkrebs sinkt kontinuierlich bei Frauen. Dagegen steigt die Anzahl bei Männern wieder leicht an, nachdem diese 2014 im Vergleich zu 2008 abgefallen war. Ob die Ursache in einem verbesserten Vorsorgeverhalten von Männern liegt, kann nur vermutet werden. Es ist bekannt, dass bei Männern bei der Vorsorge-Koloskopie doppelt so häufig Darmkrebs bzw. fortgeschrittene Adenome gefunden wurden wie bei Frauen (altersstandardisiert) [Tobias Niedermaier, Thomas Heisser, Anton Gies, Feng Guo, Efrat L. Amitay, Michael Hoffmeister, Hermann Brenner: To what extent is male excess risk of advanced colorectal neoplasms explained by known risk factors? Results from a large German screening population International Journal of Cancer 2021, DOI: 10.1002/ijc.33742]. Im Vordergrund der Forschung steht hier, die biologischen Mechanismen zu verstehen, die zur Karzinogenese führen. Sowohl lokale Faktoren wie die direkte Tumorumgebung, als auch systemische Faktoren wie der Stoffwechsel und die Reaktion des Immunsystems (immunmetabolische Mechanismen) spielen hier basierend auf der genetischen Disposition und dem Einfluss der Sexualhormone eine Rolle. Das Ziel ist es, protektive Mechanismen getrennt für die Geschlechter zu identifizieren und die geschlechterspezifischen Unterschiede für die Pharmakokinetik und Immuntherapien zu nutzen. Die bisher erhobenen Daten zum Kolorektalen Karzinom reichen noch nicht aus, um die Geschlechterunterschiede aufgrund von bekannten Risiko- und Schutzfaktoren zu erklären. Daten zu Schwangerschaften, zum Stillen, zum Beginn und Ende der Monatsblutungen, der Einnahme exogener Sexualhormone zur oralen Kontrazeption oder postmenopausalen Therapie, sowie weitere Lebensstil- und Ernährungsfaktoren müssen viel häufiger erhoben werden. Nicht weiter ansteigend bezogen auf die Fallzahlen im Jahr 2018 und Vergleich zu 2014 sind bei Frauen und Männern das Magenkarzinom, Leukämien und das Nierenzellkarzinom. [Tabelle 1]. Beim Magenkarzinom ist der Rückgang hauptsächlich zurückzuführen auf eine Reduktion von Helicobacter-pylori-Infektionen, eine gesündere Ernährung und bessere Lebensmittelkonservierung sowie sinkenden Tabakkonsum. Beim Nierenzellkarzinom könnte sich möglicherweise eine reduzierte Exposition der Bevölkerung mit toxischen Substanzen wie Cadmium, Blei, petrochemische Substanzen, Teer und Holzschutzmitteln auswirken durch Verbesserungen des Arbeitsschutzes. Das Urothelkarzinom (Harnblasenkrebs) ist ein Beispiel für einen Anstieg der Fallzahlen in Deutschland bei beiden Geschlechtern. Geschlechtersensible Prävention Ein breiteres Interventionsspektrum bieten Tumore, die durch bestimmte Verhaltensweisen und Umweltbedingungen ausgelöst werden wie z.B. das Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht u.s.w. Der geschlechtersensible präventive Ansatz spielt hier eine große Rolle. Die Identifikation des individuellen soziokulturellen (Gender-) Geschlechts über eine systematische Fragebogenerhebung hat das Potential, Verhaltensweisen zu identifizieren, die individuellen gesundheitspräventiven Maßnahmen zugänglich sind. Geschlechtersensible Aufklärungsmaßnahmen sind daher geeignet, das Outcome für alle Geschlechter zu verbessern. Ein Kern dieser Methodenentwicklung in der geschlechtersensiblen Medizin ist die Intersektionalität, d.h. das Überschneiden unterschiedlicher negativer sozialer Faktoren. Die fünf Bereiche der sozialen Determinanten – SDOH (Social Dimension of Health) – wie sie von Healthy People 2030 definiert werden, sind: Wirtschaftliche Stabilität, Zugang zu Bildung und Qualität, Zugang und Qualität zur Gesundheitsversorgung, familiäre sowie soziale Einbindung. Um den Erfolg geschlechtersensibler Aufklärungsmaßnahmen und therapeutischer Ansätze beurteilen zu können, müssen die Daten zu Neuerkrankungen, Sterblichkeitsraten und Lebensqualität so geschlechtergerecht wie möglich erhoben werden. Im Jahr 2014 z.B. wurde vom RKI für die Krebsneuerkrankungen altersstandardisiert ein Rückgang um 10 % bei Männern, bei Frauen aber ein Anstieg um 3 % berechnet. Grundlage für diese oder ähnliche Berechnungen ist die Datenqualität. Eine Ursache für eine Unschärfe veröffentlichter Daten und für das Gender Data Gap ist der fehlende Standard, eine für die statistische Aussage ausreichende Datenmenge an beiden Geschlechtern zu erheben. Insbesondere, wenn Ergebnisse zu epidemiologischen Kennzahlen zwischen Ländern weltweit verglichen werden, stellt der unterschiedliche und unzureichende Einschluss von beiden Geschlechtern ein Problem da. Weitere Diversitätsfaktoren systematisch zu erheben und in Registerdaten einzuschließen, die mindestens den SDOH entsprechen, ist das Ziel und durch die Möglichkeiten einer geschlechtergerechten Anwendung digitaler Methoden etwas realistischer geworden. Um die Datenqualität von Krebsregistern bereits jetzt beurteilen zu können, stellt sich die Frage, ob beide Geschlechter vollständig erfasst worden sind. Datensätze zu inter-Personen und transidenten Personen spielten bisher in der Forschung keine Rolle. Raza et al. publizierten 2020 zu dem Thema Gender bias in Krebsregistern und schlagen vor, den Gender Inequality Index des Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zu nutzen, um die Datenqualität einzelner Länder weltweit beurteilen zu können [Reza S.A. et al. Frontiers in Oncology 2020]. Der Gender Inequality Index (GII) ist ein Maß für die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern und beurteilt die drei Dimensionen: Reproduktive Gesundheit, Selbstbestimmung und den Arbeitsmarkt. Die Gesundheitsdimension wird anhand der Müttersterblichkeitsrate und der Fruchtbarkeitsrate bei Jugendlichen gemessen. Die Selbstbestimmung wird beurteilt nach dem Anteil der Parlamentssitze, die von jedem Geschlecht besetzt werden und anhand des Sekundar- und Hochschulabschlussniveaus. Die Beurteilung der Arbeitsdimension erfolgt anhand der Erwerbsbeteiligung von Frauen. Der GII variiert zwischen 0 (wenn Frauen und Männer gleichgestellt sind) und 1 (wenn Männer oder Frauen in allen Dimensionen im Vergleich schlechter abschneiden). Der Index für Deutschland betrug 2021 0,07 (Rang 19). [LINK GII: https://hdr.undp.org/data-center/thematic-composite-indices/gender-inequality-index#/indicies/GII]
Das Harnblasenkarzinom – Geschlechterunterschiede werden nicht berücksichtigt Frauen erkranken seltener an einem Harnblasenkarzinom, sind jedoch häufiger von fortgeschritteneren Tumorstadien und ungünstigeren Krankheitsverläufen betroffen. Es ist bis heute unklar, welche Ursachen für den aggressiveren Verlauf des Harnblasenkarzinoms bei der Frau verantwortlich sind. Henning A et al. erhob bereits 2013 Daten bei Patient:innen mit neu diagnostiziertem Urothelkarzinom der Blase zum Zeitpunkt der Aufnahme zur elektiven transurethralen Resektion des Harnblasenkarzinoms (TURBT). [Henning A, Wehrberger M, Madersbacher S, Pycha A, Martini T, Comploj E, Jeschke K, Tripolt C, Rauchenwald M. Do differences in clinical symptoms and referral patterns contribute to the gender gap in bladder cancer? BJU Int. 2013 Jul;112(1):68-73. doi: 10.1111/j.1464-410X.2012.11661.x. Epub 2013 Jan 15. PMID: 23320798. ] Gefragt wurde nach der Symptomatik und der Anzahl von Konsultationen und Behandlungen vor der urologischen Abklärung. Die Auswertung ergab keine geschlechterspezifischen Unterschiede in der Symptomatik wie Hämaturie, Dysurie, Harndrang und Blasenschmerzen. Die Unterschiede waren signifikant beim Überweisungsverhalten der behandelnden Ärzt:innen. Frauen wurden mit höherer Wahrscheinlichkeit auf Miktionsbeschwerden und Harnweginfekt behandelt ohne eine Überweisung zur fachärztlichen urologischen Abklärung. Die Diagnosestellung wurde somit verzögert. Im Jahr 2016 veröffentlichen Burge F. und Kockelbergh R. aus United Kingdom ein systematisches Review mit ähnlicher Fragestellung: Können wir das Gender-Daten-Gap schließen und das Überleben von Frauen mit Blasenkrebs verbessern? [Burge F. and Kockelbergh R. Urol Int. 2016;97:373-379. doi: 10.1159/000449256] Sie stellten fest, obwohl es Fortschritte in der Grundlagenforschung gab zum Einfluss der Genetik und von Hormonen auf die Entwicklung von Urothelkarzinomen, hat sich an der Kenntnis und der Aufmerksamkeit bezüglich der Symptome beim Harnblasenkarzinom kein Fortschritt gezeigt. Frauen werden weiterhin mit den gleichen Symptomen wie bei Männern später in die Urologie überwiesen. Im Dezember 2017 wurde die NICE-Leitlinie veröffentlicht, die klare Handlungsempfehlungen gibt, wann eine Untersuchung auf Blasenkrebs bei Patientinnen empfohlen wird. Vorbild war eine öffentliche Kampagne zu den Symptomen bei der Frau mit Harnblasenkarzinom in England, die zu einem Anstieg der Diagnose bei Frauen um 8,2% führte. NICE-Leitlinie: Eine Untersuchung auf Blasenkrebs wird bei Patientinnen empfohlen, die: • >45 Jahre mit anhaltender sichtbarer Hämaturie nach erfolgreicher Behandlung von Harnwegsinfekten (dringende Überweisung), • >60 Jahre mit ungeklärter Hämaturie mit Dysurie und oder Leukozytose im Bluttest (dringende Überweisung), • >60 Jahre mit wiederkehrenden oder anhaltenden unerklärlichen Beschwerden aufgrund von Infektionen (nicht dringende Überweisung).
Eine systematische PubMed Recherche 2022 zu geschlechtsassoziierten Unterschieden beim Harnblasenkarzinom von Gakis, G. und Weckermann, D. [Urologie, Springer Nature, 61, 1060-1067] hat weiterhin keine Änderung im Überweisungsverhalten gezeigt. Frauen sind von fortgeschritteneren Tumorstadien und ungünstigeren Krankheitsverläufen betroffen. Die geschlechtersensible Forschung sollte sich dem Thema intensiver annehmen und die Kenntnisse zu den Symptomen besser in die Versorgungsstrukturen integriert werden. Man geht heute davon aus, dass das Harnblasenkarzinom initial Androgen abhängig wächst und später – ähnlich wie beim Prostatakarzinom – in ein Androgen unabhängiges Stadium übergeht. Bei Frauen wird ERα im Harnblasenkarzinom herunterreguliert, während ERβ bei High-grade- und lokal fortgeschrittenen Tumoren überexprimiert wird. Östrogene scheinen primär der Entstehung von Harnblasenkarzinomen entgegenzuwirken, während sie Wachstum und Metastasierung bereits existenter Tumoren fördern [Lucca I, Fajkovic H, Klatte T(2014) Sex steroids and gender differences in non-muscle invasive bladder cancer. CurrOpinUrol24:500–505]. Postmenopausale Frauen erkranken häufiger am Harnblasenkarzinom, während höheres Alter bei der Menarche, die Anzahl der Geburten und eine Hormonsubstitution mit Östrogenen und Gestagenen die Karzinominzidenz senken [Dobruch J, Daneshmand S, Fisch M, Lotan Y, Noon AP, Resnick MJ, Shariat SF, Zlotta AR, Boorjian SA (2016) Gender and bladder cancer: a collaborative review of etiolog]. Zunehmend wird der Einfluss des Mikrobioms und die Untersuchung des Urobioms in die Forschung mit einbezogen, um den Einfluss von Keimen und Erregern für die geschlechterspezifische Entwicklung und Progression des Harnblasenkarzinoms zu verstehen. Geschlechterunterschiede zeigen sich auch bei der operativen Therapie des muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms (MIBC). Hier fordern die Autor:innen eine Verbesserung der OP-Techniken zur Reduktion des Blutverlusts und der damit verbundenen Bluttransfusionen und Minimierung der perioperativen Komplikationen bei Frauen. Der onkologisch ungünstigere Verlauf bei Frauen nach radikalchirurgischer Behandlung und neoadjuvanter bzw. adjuvanter Chemotherapie eröffnet die Diskussion zur Modifikation dieses Ansatzes bei Frauen und die Ursachen der fehlenden Wirksamkeit der Chemotherapie aus molekularbiologischer Sicht zu erforschen, um für zukünftige Therapieansätze zu lernen. [Gakis, G. und Weckermann, D. Urologie, Springer Nature, 61, 1060-1067]
Immunonkologische Therapieprinzipien Das Immunsystem spielt bei der Tumorentstehung eine wichtige Rolle. Frauen haben eine stärkere angeborene Immunität als Männer als Hinweis auf einen genetisch veranlagten Geschlechtsdimorphismus. Bekannt ist eine höhere Zyto – und Chemokin Produktion mit Ausnahme von IL-6 bei prämenopausalen Frauen. Die Interaktion von Sexualhormonen und dem Immunsystem erfolgt sowohl auf genetischer als auch auf zellulärer Ebene. Androgen und Östrogen Response Elemente (AREs und EREs) in den Promotoren verschiedener Genorte, die für die angeborene Immunantwort kodieren, legen einen Zusammenhang der Sexualhormone mit der Expression dieser Gene nahe. Auch die adaptive Immunantwort unterscheidet sich bei stärker ausgeprägter Impfantwort, höheren basalen Immunglobulin-Spiegeln und höherer B-Zell-Zahl des weiblichen Immunsystems im Vergleich zum männlichen. Diese Geschlechterunterschiede bei der Entwicklung von Arzneimitteln zu berücksichtigen, ist von sehr großer Bedeutung. Diese Kenntnisse und weitere komplexe Wechselwirkungen legen nahe, dass eine differenzierte Immuntherapie sowohl bezogen auf die Art der Immuntherapie als auch auf die Dosierung in Zukunft zu einer individualisierten und effektiveren Therapie mit weniger Toxizität beitragen könnte. Um diese Geschlechterunterschiede zu erforschen, müssen beide Geschlechter in ausreichender Zahl in die präklinischen und klinischen Studien einbezogen werden und die Daten getrennt nach dem Geschlecht ausgewertet. Neue immunoonkologische Therapieprinzipien müssen die anthropometrischen Parameter berücksichtigen. Darüberhinaus sollte aus geschlechtersensibler Sicht die Berechnung des Body-mass-index (BMI) abgelöst werden durch die Bestimmung der Körperzusammensetzung. Das gilt sowohl für die Entwicklung der Arzneimittel als auch für die Berechnung der Dosierungsschemata vorhandener Immuntherapien. Bei einem Mann und einer Frau mit gleichem Gewicht und gleicher Größe macht die metabolisch aktive, fettfreie Körpermasse ca 80% des BMI beim Mann und nur 65% des BMI bei der Frau aus. Hintergrund ist, dass Frauen von der Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren nicht in gleichem Maß profitieren, wie Männer und eine höhere Mortalität aufweisen. Ein wesentliches Problem ist es, dass weder bei der Entwicklung von Immuntherapien noch bei den klinischen Studien eine ausreichende Anzahl von Frauen eingeschlossen werden. Dass dieses Problem anhält, zeigen die neueren Studien zur Wirksamkeit der Immun-Checkpoint Inhibitoren mit einem Anteil von Frauen von 25-30% ohne geschlechterspezifische Auswertung. Eine geschlechtersensible Onkologie geht davon aus, dass mehr weibliche und diverse Perspektiven in die Forschung eingebracht werden. Das gilt sowohl für Anstrengungen mehr Patientinnen in die klinischen Studien aufzunehmen als auch Wissenschaftlerinnen in höhere Positionen zu bringen, um Perspektiven aus vielfältigeren Lebenswelten in die Fragestellungen der Forschungsprojekte zu integrieren.
Prof. Dr. Christian Doehn, Urologikum Lübeck Real world“ Daten in der Uro-Onkologie –aktuelle Daten des d-uo Registers
Hintergrund
Tumorerkrankungen aus dem urologischen Gebiet machen in Deutschland etwa 39% aller Krebserkrankungen bei Männern und etwa 4% aller Krebserkrankungen bei Frauen aus [1].
Deutsche Uro-Onkologen(d-uo) hatten 2017 die Idee, die Krebsregistermeldung mit der „Meldung“ an die eigene Datenbank zu kombinieren. Seit Mai 2018 werden die Daten von Patienten mit einer Tumorerkrankung aus dem urologischen Gebiet im Rahmen der sogenannten VERSUS-Studie erhoben, ausgewertet und interpretiert [2-6]. Bis Ende 2022 wurden etwa 15.000 Patientinnen und Patienten in die VERSUS-Studie eingeschlossen. Die Entwicklung von d-uo ist in Tabelle 1 dargestellt [2-6]. Im Rahmen des diesjährigen Winterworkshops in Leogang hat d-uo über Ergebnisse aus der VERSUS-Studie berichtet.
Tabelle 1. Meilensteine der Entwicklung von d-uo [2-6]
Zeitpunkt
Ereignis
Januar 2017
d-uo hat die Idee einer kombinierten Krebsregistermeldung
Juni 2017
Wahl des aktuellen Vorstands von d-uo
Januar 2018
d-uo meldet technische Machbarkeit der kombinierten Krebsregistermeldung
Mai 2018
Erste kombinierte Krebsregistermeldung von d-uo, Start der VERSUS-Studie
Dezember 2018
d-uo startet Fortbildungsinitiative
September 2019
Rahmenvereinbarung zwischen Deutscher Gesellschaft für Urologie (DGU) und d-uo
September 2020
d-uo wird mit dem Ernst-Fürstenheim-Förderpreis der DGU ausgezeichnet
August 2021
d-uo hat 10.000 Patienten in die VERSUS-Studie eingebracht
Oktober 2021
d-uo startet Nationales Tumorregister Urothelkarzinom (UroNAT)
November 2021
Positives Votum der Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO) für drei Studien von d-uo (VERSUS, THUROC, TestoVer)
September 2022
d-uo wird mit dem Alexander-von-Lichtenberg-Preis der DGU ausgezeichnet
Oktober 2022
d-uo startet Nationales Tumorregister Prostatakarzinom (ProNAT)
Dezember 2022
d-uo hat 15.000 Patienten in die VERSUS-Studie eingebracht
Prostatakarzinom
Ein Prostatakarzinom wurde im Jahr 2018 in Deutschland bei insgesamt 65.000 Männern mit einem medianen Alter von 71 Jahren diagnostiziert [1]. Etwa 15.00 Männer mit einem medianen Alter von 80 Jahren verstarben an der Erkrankung. Das relative 5-Jahres-Überleben liegt beim Prostatakarzinom bei 89% [1].
Zwischen Mai 2018 und Dezember 2022 wurden 14.834 Patienten mit der Erstdiagnose einer urologischen Tumorerkrankung dokumentiert (Tabelle 2) [1,2,3,5].
Tabelle 2. Verteilung der Tumorerkrankungen in der VERSUS-Studie von d-uo (Stand 12/2022) im Vergleich zum Robert-Koch-Institut (RKI, Stand 2018) [1,2,3,5]
Tumor
d-uo: Anzahl (n)
Anteil bei d-uo (%)
Anteil beim RKI (%)
Prostatakarzinom
9.305
62,7
56,1
Urothelkarzinom
3.723
25,1
26,7
Nierenzellkarzinom
1.137
7,7
12,8
Hodentumor
589
4,0
3,6
Peniskarzinom
80
0,5
0,9
GESAMT
14.834
100
100
Die Daten des RKI zeigen für das Prostatakarzinom einen Anteil von 56,1% an allen Tumorerkrankungen aus dem urologischen Gebiet [1]. Die Ergebnisse aus der vorliegenden VERSUS-Studie sind mit 63% etwas höher [2,3].
Das Prostatakarzinom wurde in etwa 50% aller Fälle per Früherkennung detektiert. Patienten mit einem früherkannten Prostatakarzinom sind gegenüber Patienten mit einem nicht-früherkannten Prostatakarzinom in der Regel etwas jünger und weisen bei Erstdiagnose günstigere Tumorstadien auf. Unabhängig vom Diagnoseanlass waren 12,2% aller Patienten bei Erstdiagnose lymphknoten- und/oder organmetastasiert.
Insgesamt stehen aus der VERSUS-Studie Daten für 2.167 Operationen eines Prostatakarzinoms mit der Tumorkategorie T2 oder T3 zur Verfügung. Es handelte ich um 1.360 Operationen bei T2 (62,8%) und 807 Operationen bei T3 (37,2%). Ein positiver Absetzungsrand lag bei 25,5% aller Patienten vor. Bezogen auf die Tumorkategorien T2 und T3 lag der Anteil eines positiven Absetzungsrandes bei 14,3% bzw. 44,2%.
Urothelkarzinom
Ein Urothelkarzinom wurde im Jahr 2018 in Deutschland bei insgesamt 31.040 Patienten diagnostiziert [1]. Es handelte sich um 75% Männer und 25% Frauen mit einem medianen Alter von 75 bzw. 76 Jahren. Das relative 5-Jahres-Überleben liegt bei 59% für Männer und 48% für Frauen [1].
Das Urothelkarzinom war in der vorliegenden VERSUS-Studie mit 25,1% vergleichbar zum RKI repräsentiert [3,5]. Mehr als die Hälfte der Urothelkarzinome wurden aufgrund einer Symptomatik detektiert. Die anderen Diagnoseanlässe folgen mit deutlichem Abstand. Der Anteil an Patienten mit einem T3-Urothelkarzinom deutlich geringer als beim RKI. Dafür lag der Anteil an Pateinten mit einem Ta- bzw. T1-Tumor deutlich höher. Der Anteil an Patienten mit Fernmetastastasen lag bei 4,5% [3,5].
Nierenzellkarzinom
Ein Nierenzellkarzinom wurde im Jahr 2018 in Deutschland bei insgesamt 14.830 Patienten diagnostiziert [1]. Es handelte sich um 63% Männer und 37% Frauen mit einem medianen Alter von 68 bzw. 71 Jahren. Das relative 5-Jahres-Überleben liegt bei 78% für Männer und 76% für Frauen [1].
Nierenzellkarzinome waren in der vorliegenden VERSUS-Studie mit 8% gegenüber dem RKI etwas „unterrepräsentiert“ [3,5]. Die meisten Nierenzellkarzinome wurden zufällig detektiert. In gut einem Viertel aller Fälle bestand allerdings eine Symptomatik, die zur Diagnose führte. In zwei Drittel aller Fälle handelte es sich um ein Stadium T1, davon wiederum zwei Drittel T1a. Der Anteil an Patienten mit Fernmetastastasen lag bei 9% [3,5].
Hodentumor
Ein Hodentumor wurde im Jahr 2018 in Deutschland bei insgesamt 4.160 Männern mit einem medianen Alter von 37 Jahren diagnostiziert [1]. Das relative 5-Jahres-Überleben liegt bei 97% [1].
In der VERSUS-Studie hatten 589 Patienten (4,0%) einen Hodentumor [3,5]. Dies entspricht dem Anteil beim RKI. In 73,7% der Fälle lag ein Seminom vor (medianes Alter 40 Jahre, Spannweite 17-80 Jahre) und in 26,3% ein Nichtseminom (medianes Alter 34 Jahre, Spannweite 17-87 Jahre). Am häufigsten wurde die Diagnose per Selbstuntersuchung gestellt. Eine Symptomatik hatten außerdem fast 30% der Patienten. Eine primäre Lymphknoten- oder Organmetastasierung hatten 7% aller Patienten mit einem Hodentumor [3,5].
Zusammenfassung
Die VERSUS-Studie von d-uo liefert aktuelle Daten aus der Versorgung uro-onkologischer Patienten in Deutschland [2-6]. Zunehmend kommen wir in die Lage spannende Fragen hinsichtlich Diagnostik und Therapie der genannten Tumorerkrankungen beantworten zu können. Dies betrifft nicht nur die neudiagnostizierten Tumorerkrankungen, sondern insbesondere auch Verläufe über die Zeit. Derartige Zahlen waren bisher aus Deutschland nicht verfügbar. Eine Teilnahme an der VERSUS-Studie ist allerdings nicht nur wissenschaftlich, sondern auch wirtschaftlich interessant [4,5].
Die Erfahrungen aus der VERSUS-Studie zeigen allerdings, dass die Parameter des einheitlichen onkologischen Basisdatensatzesvon der ADT und der GEKID zur Beantwortung einer großen Zahl von klinischen Fragestellungen ungeeignet sind [2,3,5]. Wir haben daher Ende 2021 das Nationale Register Urothelkarzinom (UroNAT) und Ende 2022 das Nationale Register Prostatakarzinom (ProNAT) initiiert [6]. Die beiden Register UroNAT und ProNAT eröffnen die Möglichkeit, tief in die deutsche Versorgungsrealität einzudringen. Für diese Arbeit erhält man sogar eine jährliche Aufwandsentschädigung in Höhe von bis zu 275 € pro Fall [6]. In diesem Jahr soll das Nationale Register Nierenzellkarzinom von d-uo folgen.
Neben der Teilnahme von Praxen ist auch hier das Mitmachen von Kliniken möglich und ausdrücklich erwünscht. Ebenso explizit erwünscht ist die Teilnahme von internistischen Onkologinnen und Onkologen.
Wir möchte uns ausdrücklich bei den Organisatoren des Winterworkshops in Leogang („Team Planegg“) sowie der Deutschen Gesellschaft für Immun- und Targeted Therapie (DGFIT) für die Möglichkeit der Präsentation bedanken.
Weitere Informationen unter www.d-uo.de
Literatur
www.krebsdaten.de (aufgerufen am 1.3.2023)
Doehn C, Klier J, Johannsen M, Schönfelder R, Eichenauer R, Schröder J, Hempel E, König F. Best of d-uo, Teil 1: Prostatakarzinom. UroNews 2023, 27(3): 16-26.
Doehn C, Eichenauer R, König F, Schönfelder R, Klier J, Schröder J, Hempel E, Johannsen M. Best of d-uo, Teil 2: Hodentumor, Nierenzellkarzinom, Urothelkarzinom. UroNews 2023, 27(4): 14-19.
Doehn C, Johannsen M, Eichenauer R, Klier J, König F, Schröder J, Hempel E, Schönfelder R, Schönfelder R. Die Krebsregistermeldung aus der Sicht der Deutschen Uro-Onkologen (d-uo). Urologie 2023, im Druck.
Klier J, König F, Johannsen M, Eichenauer R, Schönfelder R, Schröder J, Hempel E, Doehn C. Ergebnisse aus der VERSUS-Studie von d-uo am Beispiel des Prostatakarzinoms. Akt. Urologie 2023, im Druck.
Im Rahmen unserer Forschungsarbeit ist ein erklärtes Ziel, Wissenslücken aufzudecken, die für die Konzeption künftiger klinisch-wissenschaftlicher Studien zu Immun- und Targeted Therapien erheblich sind.
In diesem Sinne möchten wir Urologen und Onkologen bitten, teilzunehmen an unserer Umfrage zur
„Therapie-Entscheidung beim metastasierten Nierenzellkarzinom“ – Zur Umfrage
Der verlinkte Fragebogen ist so kurz wie möglich gehalten, so dass das Ausfüllen ca. 4 Minuten in Anspruch nimmt. Bitte nehmen Sie sich kurz diese Zeit!
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Durch Ihre Teilnahme helfen Sie uns, aussagekräftige und zukunftsweisende Ergebnisse zu erhalten. Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung!
Die DGFIT freut sich, Ipsen Pharma GmbH als neues Firmenmitglied zu begrüßen. Diese Unterstützung stellt für den Verein eine wertvolle Bereicherung dar.
Die Ipsen Pharma GmbH, Ländergesellschaft der Ipsen-Gruppe für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH), vertreibt in Deutschland seit über 40 Jahren verschiedene Präparate zur Therapie in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften und seltene Erkrankungen, für die ein hoher, nicht gedeckter medizinischer Bedarf besteht. Die Standorte der DACH-Region befinden sich in München, Zug und Wien. Für die Ipsen Pharma GmbH waren 2022 rund 200 Mitarbeiter tätig.
DGFIT gewinnt Pharmaunternehmen Merck als neues Firmenmitglied
Die DGFIT freut sich, das Pharmaunternehmen Merck als neues Firmenmitglied zu begrüßen. Diese Unterstützung stellt für den Verein eine wertvolle Bereicherung dar.
Merck ist ein weltweit erfolgreich agierendes Unternehmen mit 62.770 Mitarbeitern in 66 Ländern. Sie arbeiten daran, Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit zu finden, um eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Vorrangiges Ziel der wissenschaftlichen Forschung ist es, den Mensch in den Mittelpunkt zu stellen und das Leben von Patienten langfristig zu verbessern. Dabei stehen die Umsetzung personalisierter Behandlungen bei schweren Erkrankungen und die Verwirklichung des Kinderwunsches vieler Paare ebenso im Vordergrund wie die Entwicklung neuer Technologien. Zu den Innovationen gehören digitale Plattformen, Produkte und Services, die exakte Recherchen vereinfachen und dabei helfen, Durchbrüche schneller zu erzielen. Sie beschleunigen den Zugang zu Gesundheit und stellen sicher, dass Analysen korrekt und Medikamente vertrauenswürdig sind.
Das Healthcare-Geschäft in Deutschland umfasst verschreibungspflichtige Medikamente für folgende Therapiegebiete:
Onkologie Neurodegenerative Erkrankungen Unfruchtbarkeit Herz-Kreislauferkrankungen und Allgemeinmedizin Endokrinologische Erkrankungen. Informationen zu unserem globalen Healthcare-Geschäft
Die Deutsche Krebshilfe hat unter medizinischer Beratung von Prof. Dr. Michael Siebels einen neuen Ratgeber zum Thema Nierenkrebs herausgegeben. Der Ratgeber ist Teil einer Broschürenserie, die sich an Krebsbetroffene, Angehörige und Interessierte richtet. Er gibt ANTWORTEN auf medizinisch drängende Fragen rund um das Thema Nierenkrebs, bietet konkrete HILFEN an, um die Erkrankung zu bewältigen, und zeigt PERSPEKTIVEN auf für ein Leben mit und nach Krebs.
Die DGFIT freut sich, Janssen − Pharmaceutical Companies of Johnson & Johnson als neues Firmenmitglied zu begrüßen. Diese Unterstützung stellt für den Verein eine wertvolle Bereicherung dar.
Janssen ist eines der weltweit führenden forschenden Pharmaunternehmen und Teil des globalen Gesundheitsunternehmens Johnson & Johnson.
1953 von Dr. Paul Janssen in Belgien gegründet, ist Janssen seit 1959 auch in Deutschland vertreten. Der deutsche Unternehmenssitz ist in Neuss, Nordrhein-Westfalen. In Deutschland hat das Unternehmen über 1.000 Mitarbeiter:innen und ist die Nummer 2 der forschenden Pharmaunternehmen. Janssen investiert täglich weltweit etwa 22 Millionen Euro in die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente. 18 Wirkstoffe des Unternehmens stehen auf der WHO-Liste der unverzichtbaren Arzneimittel. 2020 wurden in Deutschland etwa 885.000 Patient:innen mit einem verschreibungspflichtigen Produkt von Janssen behandelt.
Dieses Jahr kam unser unabhängiges Preiskomitee nach Begutachtung der eingereichten Arbeiten zu dem Schluß, für den „Clinical Science Award 2022“ einen ersten und einen zweiten Platz zu vergeben, dotiert mit 2.000,00 Euro bzw. 1.000,00 Euro
1. Preis:
Mit dem 1. Preis des CSA 2022 wurde Prof. Dr. Ralf Kinscherf, Philipps-Universität Marburg ausgezeichnet für seine Arbeit „Macrophages in Prostate Cancer of Different Gleason Scores Compared with Benign Prostate Hyperplasia“.
Zusammenfassung:
Macrophages in Prostate Cancer of Different Gleason Scores Compared with Benign Prostate Hyperplasia Gabriel A Bonaterra, Alexander Schleper, Maximilian Skowronek, Lucia S Kilian, Theresa Rink, Hans Schwarzbach, Hendrik Heers, Jörg Hänze, Peter Rexin, Annette Ramaswamy, Carsten Denkert, Beate Wilhelm, Axel Hegele, Rainer Hofmann, Eberhard Weihe, Ralf Kinscherf
Das Prostata-Karzinom (PCa) ist die häufigste Krebserkrankung von Männern in Deutschland, wobei die Häufigkeit seit fast drei Jahrzehnten stetig zunimmt. Dies ist sicherlich überwiegend auf den Einsatz neuer Methoden zur Früherkennung zurückzuführen, wodurch mehr PCa, insbesondere im Frühstadium, erkannt werden. Deshalb ist es eine der größten Herausforderungen, neue Biomarker zur Erkennung der Malignität zu entwickeln, um Ärzte zu einer optimierten Diagnose und Therapie zu führen.
Es gibt mehrere Hinweise, dass der Wachstums-Differenzierungs-Faktor-15 (engl. Growth Differentiation Factor-15 [GDF-15]) bei einer Vielzahl von Karzinomen überexprimiert wird, und im Blut erhöhte Level vorliegen. Obwohl GDF-15 in PCa stark exprimiert wird, ist seine genaue Rolle bei der Tumorgenese noch unklar. Deshalb bestimmten wir die GDF-15, sowie M1-/M2-Makrophagen (MΦ) Dichte sowie PD-L1 und PGP9.5 (Marker für die Innervation) beim PCA (verschiedene Gleason Score) und bei der benignen Prostatahyperplasie (BPH). Mit dieser Arbeit konnten wir zeigen, dass die Dichte der GDF-15+ Zellen, die durch Doppelimmunfluoreszenzuntersuchungen hauptsächlich als interstitielle MΦ identifiziert wurden, in PCa mit GS6–9 höher als bei BPH war. Deshalb könnte GDF-15 zur Differenzierung von Patienten mit hohem GS gegenüber BPH, bzw. GS6 vs. GS7 (oder höhergradiger Malignität) dienen. Einige GDF-15+ MΦ zeigten eine transepitheliale Migration in das Drüsenlumen, sodass diese Zellen im Urin und/oder Sperma gemessen werden könnten. Zusätzlich zeigte sich eine luminale Ko-Lokalisation von PD-L1 und GDF-15 – dies könnte zukünftig neben dem bis dato etablierten Marker PSA zur verbesserten Beurteilung des PCA Gradings/Progression herangezogen werden. Unsere Daten zu GDF-15 legen einen engen Bezug zur PCA-Entstehung, Progression und Aggressivität nahe, sodass GDF-15 als neuartiger Biomarker etabliert werden könnte, um zwischen PCa und BPH bzw. dem Grad der Malignität (GS6 v GS7) zu differenzieren. Somit ist GDF-15 ein potentielles therapeutisches Target der Zukunft beim PCA was in zukünftigen Studien untersucht werden wird. Messungen von GDF-15 im Urin und/oder Sperma könnten als non-invasiver Biomarker für PCa im Vergleich zu BPH dienen.
2. Platz
Mit dem 2. Preis des CSA 2022 wurde Matthias Seifert, Ludwig-Maximilians-Universität München ausgezeichnet für seine Arbeit “Impact of the selective A2AR and A2BR dual antagonist AB928/etrumadenant on CAR T cell function”.
Zusammenfassung:
Impact of the selective A2AR and A2BR dual antagonist AB928/etrumadenant on CAR T cell function
British Journal of Cancer, 2022
Die Immuntherapie ist inzwischen eine wichtige Therapieoption in der Behandlung maligner Tumorerkrankungen und wird in einer wachsenden Anzahl von Entitäten erfolgreich eingesetzt. Bei Immuntherapien wird das Immunsystem des Patienten gegen seine Tumorerkrankung ausgerichtet, beziehungsweise wieder scharf gemacht. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Blockade sogenannter Immune Checkpoints, beispielsweise der PD-1/PD-L1 Achse. Diese sogenannte Immune Checkpoint Blockade (ICB) zielt darauf ab, eine anti-tumorale Immunantwort hervorzurufen, indem supprimierte T-Zellen reaktiviert werden. Eine klinische Herausforderung bleibt das interindividuell sehr unterschiedliche Ansprechen. In einigen Fällen des Nicht-Ansprechens oder bei Rückfällen nach ICB kann eine Hochregulierung anderer immunsuppressiver Achsen beobachtet werden. So unterdrückt auch extrazelluläres Adenosin, welches sich in soliden Tumoren ansammelt, anti-tumorale Immunantworten und ist deshalb in den letzten Jahren als vielversprechendes Ziel für neue therapeutische Ansätze in den Fokus gerückt.
Eine weitere Therapie, die sich das körpereigene Immunsystem zunutze macht, ist die CAR (Chimäre Antigen Rezeptor) T-Zell Therapie. Hierbei werden autologe T-Zellen gentechnisch mit einem synthetischen, antigenspezifischen Rezeptor ausgestattet, der es den T-Zellen erlaubt Tumorzellen zu erkennen und zu lysieren. Während diese Therapieform bei einigen hämatologischen Malignitäten erfolgreich eingesetzt wird, ist ihre Wirkung bei soliden Tumoren bis jetzt nur gering. Neben anderen limitierenden Faktoren kann auch dies auf immunsuppressive Faktoren im Tumormillieu zurückgeführt werden.
In der aktuellen Arbeit konnten wir herausfinden, dass Adenosin wesentliche CAR-T-Zell Funktionen, wie die CAR-T-Zell Proliferation, die Zytokin-Sekretion, sowie die Lyse von Tumorzellen, inhibiert. Die Inhibition dieser Funktionen konnte in verschiedenen Tumormodellen und über verschiedene CAR-Designs hinweg beobachtet werden. Um der Inhibition der CAR-T-Zellen entgegenzuwirken, haben wir die Kombinationstherapie mit dem Small Molecule Etrumadenant untersucht. Etrumadenant ist ein spezifischer Inhibitor der Adenosin-Rezeptoren A2AR und A2BR und wird derzeit in Phase II klinischen Studien getestet. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass Etrumadentant in der Lage ist, alle untersuchten Effekte von Adenosin auf CAR-T-Zellen vollständig blockieren und dass eine Kombinationstherapie mit Etrumadenant die CAR-T-Zell Aktivierung in vivo verbessert. Die Kombination mit Etrumadenant könnte somit ein vielversprechender Ansatz sein, um die Effektivität von CAR-T-Zellen in soliden Tumoren zu steigern.
Die DGFIT unterstützt seit ihrer Gründung wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Immun- und Targeted Therapie. Unter anderem wird jährlich der mit 2.000,00 Euro dotierte Clinical Science Award vergeben.
Ein unabhängiges Preiskomitee kam nach Begutachtung der eingereichten Arbeiten zu dem Schluss, den diesjährigen „Clinical Science Award“ an Prof. Dr. Philipp Wolf aus Freiburg für seine Arbeit “PSMA-gerichtete CAR T-Zellen in Kombination mit niedrig dosierter Docetaxel-Behandlung als neue Therapieoption gegen das Prostatakarzinom” zu vergeben. Wir gratulieren!
Zusammenfassung „PSMA-gerichtete CAR T-Zellen in Kombination mit niedrig dosierter Docetaxel-Behandlung als neue Therapieoption gegen das Prostatakarzinom“
CAR (Chimäre Antigen Rezeptor) Zellen sind gentechnisch veränderte T-Zellen, die Antigen-tragende Tumorzellen unabhängig von humanen Leukozytenantigenen (HLA) erkennen und lysieren können. Während die CAR T-Zelltherapie bei hämatologischen Tumoren zu großen klinischen Erfolgen führt, ist ihre Wirkung bei soliden Tumoren, wie dem Prostatakarzinom, nur gering. Dies liegt zum einen an der schlechten Zugänglichkeit der Krebszell-Antigene, zum anderen an der immunsuppressiven Mikroumgebung der Tumoren. Es sind deshalb dringend neue therapeutische Konzepte erforderlich, die zu einem erfolgreichen Einsatz von CAR T-Zellen beim Prostatakarzinom führen.
In enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Transfusionsmedizin und Gentherapie des Universitätsklinikums Freiburg, konnten wir neue CAR T-Zellen generieren, die gegen das Prostataspezifische Membranantigen (PSMA) auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen gerichtet sind. Dazu wurden humane T-Zellen mit CARs transduziert, die ein anti-PSMA Antikörperfragment als Bindedomäne, die CD3ζ-Kette als Signaldomäne und eine co-stimulatorische Domäne von entweder 4-1BB oder CD28 enthalten. Die entsprechenden CARs wurden als CAR41 und CAR28 bezeichnet. Die CAR T-Zellen wurden hinsichtlich PSMA-spezifischer Zytotoxizität, Aktivierung, Differenzierung und Exhaustion (Erschöpfung) untersucht. Zudem wurde ihre antitumoröse Wirkung in Mäusen mit humanen Prostatatumor-Xenografts getestet.
Zunächst konnten wir feststellen, dass die CAR28 T-Zellen eine höhere Zytotoxizität als die CAR41 T-Zellen gegenüber PSMA-exprimierenden Prostatakarzinomzellen zeigten. Im Vergleich zu CAR41-T-Zellen führte die Co-Kultivierung von CAR28-T-Zellen mit den Krebszellen zudem zu einer stärkeren Hochregulierung der Aktivierungsmarker CD25 und CD69. Die CAR28-T-Zellen schütteten zudem signifikant höhere Mengen an IFN-γ und den zytolytischen Granzymen A und B aus. Beide CAR T-Zelltypen zeigten zudem unterschiedliche Differenzierungsmuster. So differenzierten die CAR28 T-Zellen bevorzugt zu Effektor-T-Zellen und Effektor-Gedächtnis T-Zellen aus, während die CAR41 T-Zellen sich bevorzugt zu naiven T-Zellen und Gedächtnis T-Zellen ausbildeten. Darüber hinaus zeigten CAR28-T-Zellen nach Aktivierung eine schnellere Exhaustion als CAR41 T-Zellen. CAR28-T-Zellen sind damit durch eine hohe Zytotoxizität und eine kurze Lebensdauer gekennzeichnet, während die CAR41-T-Zellen eine höhere Proliferation und Resistenz aufweisen.
Im nächsten Schritt testeten wir die antitumoröse Wirkung unserer CAR-T-Zellen in SCID-Mäusen mit subkutan wachsenden humanen Prostatatumoren. Nach intratumoraler Injektion führten die CAR28 T-Zellen bei allen Tieren zu kompletten Tumorremissionen innerhalb von acht Tagen. Mit den CAR41-T-Zellen wurde bei fünf behandelten Tieren je eine komplette und eine partielle Remission erreicht. Dies bewies, dass die anti-PSMA CAR T-Zellen auch in vivo wirksam sind, wenn sie mit Prostatakrebszellen in Kontakt kommen.
Nach systemischen Gabe der CAR28 T-Zellen konnte allerdings keine antitumoröse Wirkung erreicht werden, was die oben beschriebene, typische Situation bei soliden Tumoren widerspiegelt, bei denen eine dichte, immunsuppressive Mikroumgebung ein effektives Targeting verhindert. Wir behandelten deshalb die Tiere zunächst mit einer nicht-ablativen Dosis Docetaxel, bevor die CAR28 T-Zellen systemisch appliziert wurden, und konnten damit eine signifikante Hemmung des Tumorwachstums erreichen. Histologische Untersuchungen zeigten, dass die Chemotherapie eine Tumorschädigung verursachte, das zu einem erhöhten Eindringen der CAR-T-Zellen in die Tumoren führte.
Zusammenfassend konnten wir neue anti-PSMA CAR T-Zellen herstellen, die in Abhängigkeit von ihren co-stimulatorischen Domänen unterschiedliche Phänotypen ausbilden und unterschiedliche Zytotoxizitäten gegenüber Prostatakrebszellen zeigen. Die Kombination der CAR T-Zellen mit einer niedrig-dosierten Chemotherapie stellt zudem einen vielversprechenden neuen Ansatz zur künftigen Immuntherapie des Prostatakarzinoms dar.
Literatur: Alzubi, J., V. Dettmer-Monaco, J. Kuehle, N. Thorausch, M. Seidl, S. Taromi, W. Schamel, R. Zeiser, H. Abken, T. Cathomen and P. Wolf (2020). „PSMA-Directed CAR T Cells Combined with Low-Dose Docetaxel Treatment Induce Tumor Regression in a Prostate Cancer Xenograft Model.“ Mol Ther Oncolytics 18: 226-235. Wolf, P., J. Alzubi, C. Gratzke and T. Cathomen (2021). „The potential of CAR T cell therapy for prostate cancer.“ Nat Rev Urol 18(9): 556-571.