Die DGFIT unterstützt seit ihrer Gründung wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Immun- und Targeted Therapie. Unter anderem wird jährlich der mit 2.000,00 Euro dotierte Clinical Science Award vergeben.
Ein unabhängiges Preiskomitee kam nach Begutachtung der eingereichten Arbeiten zu dem Schluss, den diesjährigen „Clinical Science Award“ an PD Dr. med. Simon Heidegger aus München für seine Arbeit “RIG-I activation is critical for responsiveness to checkpoint blockade” zu vergeben. Wir gratulieren!
Zusammenfassung „RIG-I activation is critical for responsiveness to checkpoint blockade“
Neuartige Immuntherapien – etwa mit sogenannten Checkpoint Inhibitoren von CTLA-4 oder PD 1 – haben die Behandlung von
Krebserkrankungen in den letzten Jahren grundlegend verändert. Eine große klinische Herausforderung bleibt das interindividuell sehr unterschiedliche Ansprechen auf diese Therapieform. Unser Verständnis über die molekularen Mechanismen, welche Patienten nicht von einer solchen Behandlung profitieren und warum dies der Fall ist, bleiben bislang bruchstückhaft.
In unseren aktuellen Arbeiten konnten wir herausfinden, dass Tumorzell-intrinsische Aktivierung des RNA Rezeptors RIG-I eine kritische Voraussetzung für ein Ansprechen auf eine Immuntherapie mit anti-CTLA-4 und deren Kombination mit anti-PD-1 ist. RIG-I ist ein Rezeptor unseres angeborenen Immunsystems, der bislang vor allem im Zusammenhang mit der Abwehr von Virusinfektionen beschrieben wurde. Unsere molekular-mechanistischen Untersuchungen ergaben, dass RIG-I Rezeptor-Aktivität Caspase-3 vermittelten Tumorzelltod, Cross-Präsentation tumor-assoziierter Antigene durch CD103+ dendritische Zellen, anschließende Expansion Tumorantigen-spezifischer CD8+ T-Zellen sowie deren Akkumulation im Tumorgewebe induziert. Entsprechend führte die therapeutische Adressierung von RIG-I mittels eines spezifischen Liganden im Tumor zu einer potenten Steigerung der Wirksamkeit von Immuncheckpoint-Inhibitoren in mehreren präklinischen Mausmodellen. In Transkriptom-Analysen in humanen Melanom-Proben fanden wir eine starke Assoziation zwischen Tumor-intrinsischer Expression von DDX58 (dem Gen das für RIG-I kodiert) und gesteigerter Aktivität in den Signalwegen des T-Zell Rezeptors sowie Antigenpräsentation und schließlich verlängertem Gesamtüberleben der Patientenkohorte. In Patienten unter anti-CTLA-4 Checkpoint-Blockade war eine hohe transkriptionelle DDX58 Aktivität mit langanhaltendem klinischen Therapieansprechen vergesellschaftet.
Somit identifizierten unsere Daten Tumor-intrinsische RIG-I Aktivität als kritische Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Immuntherapie mittels Checkpoint-Blockade. Intratumorale RIG-I Expression könnte nicht nur als potentieller prädiktiver Biomarker zur Patientenselektion dienen, sondern medikamentöse Adressierung von RIG-I im Tumor das Gesamtansprechen auf Checkpoint-Inhibitoren steigern. Mit diesem kombinatorischen Ansatz hoffen wir, Tumore anfälliger gegenüber einer Immuntherapie mit den etablierten Checkpoint Inhibitoren machen zu können. Entsprechend unseren Arbeiten kommen dafür RNA-basierte intratumorale RIG-I Aktivierung sowie individualisierte, RIG-I-verstärkte zelluläre und Protein-basierte Vakzine in Frage. Diese Ansätze haben unmittelbares translationales Potential, nachdem RIG-I Agonisten zur Anwendung im Menschen bereits in Phase I/II Studien mittels intraläsionaler Anwendung in Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren und Lymphomen getestet werden.
DGFIT auf dem 29. Urologischen Winterworkshop in Leogang/Österreich
Die Veranstaltung eines Satellitensymposiums durch die DGFIT im Rahmen des alljährlichen Urologischen Winterworkshops in Leogang/Österreich hat schon lange Tradition. Auch in diesem Jahr präsentierten hochkarätige Referenten/innen therapeutische und diagnostische Innovationen. Das Symposium fand unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Doehn, Lübeck, Prof. Dr. Michael Siebels, München und Prof. Dr. Dominik Rüttinger, Penzberg statt.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch der jährlich ausgeschriebene Wissenschaftspreis der DGFIT an Prof. Dr. med. Sebastian Kobold, München verliehen.
Prof. Dr. Christian Doehn, Urologikum Lübeck: S3-Leitlinie Nierenzellkarzinom: Wie geht Systemtherapie im Jahr 2020?
Derzeit sind 16 Medikamente aus 4 Substanzgruppen zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen. Die meisten Vertreter gehören zu den Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI). Neue immunonkologische Ansätze beinhalten insbesondere antikörperbasierte Strategien. Von den wohl in mindestens dreistelliger Zahl vorliegenden Checkpoints auf der Oberfläche von Immun- und Tumorzellen (u.a.) spielen beim Nierenzellkarzinom die antikörper-vermittelte Checkpoint-Inhibitoren (CPI) von PD-1 (z.B. Nivolumab, Pembrolizumab), PD-L1 (z.B. Avelumab) sowie CTLA-4 (z.B. Ipilimumab) derzeit die größte Rolle.
Verschiedene klinische und laborchemische Parameter erlauben eine Aussage zur Prognose des Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Gesamtüberleben (overall survival, OS), weniger für das progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) und gar nicht für das Ansprechen (response rate, RR). Im MSKCC-Score (auch Motzer-Score) werden die Parameter Allgemeinzustand, Zeit von Diagnose bis zur Therapie (von Metastasen), Hämoglobin, Laktatdehydrogenase und korrigiertes Kalzium betrachtet und für jedes abnorme Ergebnis ein Punkt verteilt. Eine gute, intermediäre und schlechte Prognose (im Hinblick auf das OS) wird angenommen bei 0 Punkten, 1-2 Punkten bzw. 3 und mehr Punkten. Im IMDC-Score (auch Heng-Score) werden die Parameter Allgemeinzustand, Zeit von Diagnose bis zur Therapie (von Metastasen), Hämoglobin, korrigiertes Kalzium, neutrophile Granulozyten und Thrombozyten betrachtet und für jedes abnorme Ergebnis ein Punkt verteilt. Eine gute, intermediäre und schlechte Prognose (im Hinblick auf das OS) wird angenommen bei 0 Punkten, 1-2 Punkten bzw. 3 und mehr Punkten. In den Studien der letzten Jahre wurden die o.g. Scores und auch die jeweiligen Risikogruppen in unterschiedlicher Weise verwendet. Teilweise sind diese Aspekte auch in den Zulassungstext übernommen worden. Das genannte Vorgehen erschwert den Vergleich verschiedener Studien.
Im Jahr 2019 wurden drei Kombinationstherapien zur Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen: die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab, die Kombination aus Pembrolizumab und Axitinib und Kombination aus Avelumab und Axitinib. In allen genannten Kombinationstherapien wurde in den zugehörigen Studien gegen Sunitinib geprüft.
Am 22.3.2020 – also 4 Wochen nach der Tagung in Leogang – wurde die Konsultationsfassung der S3-Leitlinie Nierenzellkarzinom vorgestellt. Vorbehaltlich eventueller Änderungen in der finalen Fassung, wird als Standardempfehlung für Patienten mit guter Prognose nach Heng (etwa 20% aller Patienten) die Kombination aus Pembrolizumab und Axitinib ausgesprochen. Patienten mit intermediärer Prognose (etwa 60% aller Patienten) oder schlechter Prognose (etwas 20% aller Patienten) sollen die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab oder die Kombination aus Pembrolizumab und Axitinib erhalten. Die dritte zugelassene Kombination (Avelumab und Axitinib) ist aufgrund noch „unreifer“ Daten für das Gesamtüberleben derzeit nicht genannt. Bei fehlender Eignung für eine Kombinationstherapie, sollen bei Patienten mit guter Prognose Bevacizumab und Interferon oder Pazopanib oder Sunitinib oder Tivozanib zum Einsatz kommen. Bei Patienten mit intermediärer oder schlechter Prognose sollte Cabozantinib eingesetzt werden. Alternativ hierzu kann auch Temsirolimus verwendet werden.
Für den Fall einer Vorbehandlung mit einem TKI oder Bevacizumab und Interferon bleibt die bisherige Zweitlinienempfehlung für Nivolumab oder Cabozantinib bestehen. Alternativ kann die Kombination aus Lenvatinib und Everolimus eingesetzt werden. Nach Verwendung einer Kombinationstherapie im Erstlinienansatz, ist kein Standard etabliert. Es sollte daher mit einem TKI, der bisher nicht zum Einsatz gekommen war, weiterbehandelt werden. Für eine Drittlinientherapie ist kein Standard etabliert.
Bei aller Euphorie über die Ergebnisse der genannten Kombinationsstudien (CPI+CPI oder CPI+TKI) muss beachtet werden, dass die Anzahl Grad3/4-Nebenwirkungen höher ist als bei einer CPI-Monotherapie. Ebenso können sich neue therapeutische Herausforderungen im Nebenwirkungsmanagement ergeben. Als Beispiel sei genannt: TKI-bedingte Diarrhoe vs. CPI-bedingte Diarrhoe vs. Kombination aus beiden Ursachen.
Zukünftige Aktivitäten müssen weiterhin Antworten auf die folgenden Punkte liefern: Patientenselektion, Biomarker, (bildgebende) Bewertung des Therapieansprechens und Nebenwirkungsmanagement.
Dr. Clemens Linné, Dresden: Immunonkologie in der urologischen Praxis – was geht?
Die Immunonkologie hat in der Therapie urologischer Tumorerkrankungen in den letzten 4 Jahren eine im erweiterten Sinne fulminante Wiederkehr erlebt und ist heute aus den systemischen Behandlungsoptionen bei metastasierten Nierenzellkarzinom oder Urothelkarzinom nicht wegzudenken. Insbesondere Kombinationen mit verschiedenen Wirkmechanismen spielen bei der NCC-Therapie aktuell in der Erstlinie eine tragende Rolle. Für den niedergelassenen Urologen ergibt sich damit ein erweitertes Arbeitsfeld und eine neue Herausforderung.
Neben der leitliniengerechten Auswahl der entsprechenden Therapie bzw. Therapiekombination stellt sicher eine qualifiziertes Nebenwirkungsmanagement einen wichtigen Faktor bei einer guten Patientenbetreuung dar. Die intravenöse Applikation der heute zur Verfügung stehenden Immunmodulatoren stellt bei zumeist feststehenden Dosierungen, relativ kurzen Applikationszeiten und dem recht geringen Risiko akuter Nebenwirkungen (Paravasate, Akutreaktionen) kein großes Problem dar und ist somit im ambulanten Setting eher von Vorteil. Problematisch kann, besonders bei Kombinationstherapien, das rechtzeitige Erkennen und sachgerechte Behandeln von Nebenwirkungen sein. Gerade manche Nebenwirkungen wie z.B. Durchfall können bei der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms sowohl bei einer TKI-Therapie als auch bei einer Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor auftreten. Hier ist ein möglichst rasches Erkennen des verursachenden Medikamentes und die entsprechende Behandlung von großer Wichtigkeit. Da aber solche Nebenwirkungen im Vergleich zu anderen onkologischen Therapien zumeist eher selten sind, sollte dies grundsätzlich kein Grund sein entsprechende Therapiekonzepte in der urologischen Praxis nicht anzuwenden. Neben einer regelmäßigen Befragung nach gezielten immuntherapiebedingten Beschwerden sollten regelhaft auch entsprechende Blutuntersuchungen erfolgen. Daneben erscheint es sinnvoll noch vor Einsatz von Immuntherapeutika Kontakt mit anderen Organspezialisten (z.B. Endokrinologen, Pulmologen Gastro-Enterologen u.a.) aufzunehmen um dann bei einem auftretenden Problem oder einer jeweiligen Fragestellung schnell mit dem entsprechenden Kollegen zwecks Rückfrage Kontakt aufzunehmen oder gegebenenfalls den entsprechenden Patienten kurzfristig vorzustellen.
Der Einsatz von Immunmodulatoren stellt also zusammengefasst kein grundsätzliches Problem in der urologischen Praxis dar. Bei möglichweise weiter zunehmenden Indikationen im Bereich der Uro-Onkologie und den für die Durchführung der Therapie notwendigen logistischen Anforderungen und Erfahrungen wird dies möglicherweise auch im Bereich der ambulanten Urologie eine gewisse „Spezialisierung“ zur Folge haben.
Dr. Ute Seeland, Institut für Geschlechterforschung in der Medizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin Gendermedizin: Gibt es weibliche und männliche Tumoren? Oder gibt es Tumoren bei Frauen und Männern?
Einleitung
Die Gendermedizin versteht sich als Wissenschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat die Qualität in der medizinischen Versorgung von Frauen und Männern zu verbessern. Die Erforschung sowohl der biologischen Geschlechterunterschiede als auch die Berücksichtigung der interagierenden soziokulturellen Unterschiede bei der Entstehung von Gesundheit und Krankheit sind Gegenstand einer geschlechtersensiblen Forschung.
Die Urologie wird oft als Männerheilkunde angesehen, doch sitzen im Wartezimmer 50% Frauen, so dass auch in dieser Disziplin die Wahrnehmung von Geschlechterunterschieden zu einer besseren medizinischen Versorgung von Frauen und Männern führen wird. Die bereits vorhandenen Kenntnisse zu Geschlechterunterschieden bei der urologischen Versorgung im Rahmen transsexueller Fragestellungen können möglicherweise dazu beitragen, dass Urologinnen und Urologen schneller bereit sind die Geschlechterunterschiede auch bei Menschen mit Harnwegsinfekten und Nierenzellkarzinomen z.B wahr zu nehmen.
Allein schon die Kenntnis der unterschiedlichen Körperzusammensetzung bei Frauen und Männern bzgl. der metabolisch aktiven, fettfreien Körpermasse sollte nicht unterschätzt werden: Bei einem Mann und einer Frau mit gleichem Gewicht und gleicher Größe macht die metabolisch aktive, fettfreie Körpermasse ca 80% des BMI beim Mann und nur 65% des BMI bei der Frau aus. Oft wird bei einer auf der Körperoberfläche- basierenden Dosierung einer Chemotherapie dieses nicht berücksichtigt.
Tumoren bei Frauen und Männern
Dass die Zahl der Krebsneuerkrankungen bei Frauen und Männern von 2004 bis 2014, vor allem bedingt durch die Zunahme älterer Menschen, zugenommen hat und dass es Tumoren gibt die häufiger bei Frauen entstehen und andere bei Männern ist hinlänglich bekannt. Interessant für gendermedizinische Forschungsansätze ist allerdings die Verteilung der Sexualhomon-abhängigen Tumoren und derer, die durch bestimmte Verhaltensweisen und Umweltbedingungen ausgelöst werden wie z.B. Rauchen. Frauen sind nach wie vor am häufigsten von Brustkrebs (ca. 69.200) betroffen, Männer am häufigsten von Prostatakrebs (ca. 57.400), gefolgt von Dickdarm- und Lungenkrebs bei beiden Geschlechtern. Geschlechtersensible Aufklärungsmaßnahmen und therapeutische Ansätze müssten zu einem besseren Outcome bei beiden Geschlechtern führen. Tatsächlich ist es so, dass altersstandardisiert bei Männern ein Rückgang um 10 %, bei Frauen allerdings ein Anstieg von 3 % der Krebsneuerkrankungen zu erkennen ist (RKI 2014). Eine interessante Ausganglage, die vermehrt dazu führen sollte, sich die regionalen Krebstodesfälle anzusehen, denn diese können sehr unterschiedlich sein im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, der vom RKI berechnet wird und oft in Publikationen zitiert. Ein Beispiel sind die Tabak-assoziierten Krebserkrankungen wie Speiseröhre-, Lunge- und Lippe-Mund-Rachen, die in Berlin sehr viel häufiger bei Frauen aufgetreten sind als bei Männern in Relation zum Durchschnitt aller gesetzlich Krankenversicherten aller Bundesländer (Krebsatlas Berlin 2002-2004). Diese deskriptiven Statistiken sind hilfreich, um regionale geschlechtsspezifische Präventionsprogramme anzubieten und weisen möglicherweise auf nicht bekannte Ursachen hin.
Weibliche und männliche Tumoren
Die systembiologische Erklärung beginnt mit dem SRY Gen auf dem Y-Chromosom. Dieses ist ursächlich für die gonadalen biologischen GU mit den „organisierenden“ Hormoneffekten und den „Aktivierungseffekten“, die zu der unterschiedlichen Entwicklung z.B. der Genitalien und des Gehirns führen. Genauso wichtig und bisher in der medizinischen Grundlagenforschung größtenteils ignoriert sind die direkten Effekte der Geschlechtschromosomen in der Zelle. XX und XY – Zellen unterscheiden sich! Wenn dieses bei der Planung, Durchführung und Interpretation der Ergebnisse nicht berücksichtigt wird, werden wir keine Klarheit über pathophysiologische zusammenhänge bekommen und alle weiteren Entwicklungen, die auf diesen Grundlagen beruhen werden immer einen Bias haben. In der praktischen Anwendung sehen wir dieses bei den häufigeren Nebenwirkungen bei der Verwendung von den gleichen Arzneimitteln in gleicher Dosierung bei Frauen im Vergleich zu Männern.
Die Regulation des Immunsystems ist eng verbunden mit der Entstehung von Tumorerkrankungen. So unterschiedlich wie die einzelnen Immunzellen unter dem Einfluss der Sexualhormone arbeiten, so abhängig vom Geschlecht sind auch die weiteren Determinanten, die zu Störungen des Immunsystems wie der Autoimmunität und der gestörten Abwehr von Tumorzellen führen. Forschungsansätze gibt es auf der Ebene der Epigenetik, der Verteilung der Hormonrezeptoren auf den Erfolgsorganen, der geschlechtertypischen Vulnerabilität gegenüber bestimmen Darmerregern (Metagenom/Mikrobiom), dem Phänomen des Mikrochimärismus, der X-chromosomalen Polymorphismen, der X-Monosomie und insbesondere der X-Inaktivierung.
Das X-Chromosom spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Funktion der Zellen. Im Vergleich zum Y-Chromosom ist das X-Chr. sehr viel größer und besitzt viel mehr Genorte. Die meisten kodieren für immunologisch wirksame Eiweiße und die epigenetische Ausstattung ist viel umfangreicher mit 118 microRNAs vs. 2 auf dem Y – Chromosom. Autosomen haben im Vergleich ca 40-50 microRNAs.
In der Regel sollte das Phänomen der X-Inaktivierung die weibliche und männliche Genexpression theoretisch wieder ins Gleichgewicht bringen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall, da bis zu 15% der X-Chromosom-gebundenen Gene der X-chromosom-Inaktivierung (XCI) entgehen. Diese Escaper führen bei weiblichen Zellen zum Vorhandensein einer zweiten funktionellen Kopie dieser Gene und zu einem signifikanten Vorteil dadurch, dass Genmutationen ausgeglichen werden können, die zur Krebsentstehung beitragen könnten. Unter den Escaper-Genen gibt es Tumorsuppressoren (ATRX, CNKSR2, DDX3X, KDM5C, KDM6A und MAGEC3), die bei Männern in signifikantem Maße mit Krebs assoziiert sind. Die weiblichen Zellen können somit durch eine zweiten „gesunden“ Kopie des „Escaper Gens“ vor den negativen Auswirkungen der mutierten Kopie geschützt werden. [Dunford A, et al. Tumor-suppressor genes that escape from Xinactivation contribute to cancer sex bias. Nat Genet. 2017;49:10–16]
Allerdings hält dieser „XC Inaktivität-vermittelte Schutz“ nicht ein Leben lang. Ab dem mittleren Alter (ca. 55 Jahre) tritt ein Phänomen der altersbedingten vorzeitigen Inaktivierung eines X-Chromosoms auf. Diese „XCI-Verschiebung“ kann zur Expression schädlicher Allele und damit zu einem erhöhten Morbiditätsrisiko führen. Tatsächlich haben Frauen, die langlebige Eltern haben, eine geringere „XCI-Verschiebung“ und eine geringere Prävalenz mehrerer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-, Skelett-, Atemwegs-, neurologische und Krebserkrankungen im Vergleich zu den geborenen Altersgenossinnen von nicht langlebigen Eltern zu entwickeln.
Andererseits ist das Vorhandensein von nicht-inaktivierten X-chromosomalen Allelen bei Frauen nicht nur ein Schutz vor Krankheiten, sondern ist auch mit immunologischen Störungen verbunden, einschließlich der Autoimmunerkrankungen. [Carè A …Malorni W. Sex disparity in cancer: roles of microRNAs and related functional players. Cell Death Differ. 2018 Mar;25:477-485]
Klinische Relevanz
Von der Kindheit bis ins hohe Alter wirkt das weibliche Immunsystem stärker und wirkt effizienter infektiösen und nicht infektiösen Erkrankungen entgegen, einschließlich Krebs. [Klein SL, Flanagan KL. Sex differences in immune responses. Nat Rev Immunol. 2016;16:626–38.] Dieser Vorteil bei Frauen kann auch nachteilig sein, da die geschlechterabhängige Funktion des Immunsystems zu Autoimmun-erkrankungen führen kann. In diesem Zusammenhang wurde die Rolle des Geschlechts mit der PD-1-Modulation auffällig. Bei Patient*innen mit Melanom führte die Hemmung der PD-1 / PD-L1-Wechselwirkung zu einer mittleren objektiven Ansprechrate bei Männern von 54,6% und bei Frauen von nur 33,1%. Das mittlere progressionsfreie Überleben war mit 18 Monaten gegenüber 5,5 Monaten signifikant besser bei den Männern. [Zhou C et al. PD-L1 expression as poor prognostic factor in patients with nonsquamous non-small cell lung cancer. Oncotarget. 2017;8:58457–68]
Diese Daten ließen schon vermuten, dass Frauen weniger gut von Checkpoint-Inhibitoren profitieren als Männer. Diese neuen, viel versprechenden Antikörper-vermittelten Checkpoint-Inhibitoren werden auch in der nephrologischen und urologischen Onkologie eingesetzt. Im Jahr 2018 wurde eine Metaanalyse veröffentlicht, die 11.351 Patient*innen mit Melanom und nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom + Checkpoint- Inhibitoren (ipilimumab, tremelimumab, nivolumab, pembrolizumab) untersuchte. Es wurden 67% Männer und 33% Frauen eingeschlossen. Die Mortalität im Geschlechtervergleich war signifikant unterschiedliche mit einem p=0,0019 bei einer Hazard Ratio von 0,72 (95%CI 0,65-0,79) bei den Männern und HR 0,86 (95%CI 0,79-0,93) bei den Frauen. [Conforti F et al. Lancet Oncol 2018; 19: 737-746]
Aus Sicht der Gendermedizin ist daher zu fordern, dass nicht weiter der Geschlechtsdimorphismus bezüglich der Reaktionen des Immunsystems ignoriert wird und
alternative Immuntherapie-Strategien abhängig vom Geschlecht entwickelt werden
eine ausreichende Repräsentanz von Frauen in den Studien gewährleistet wird und
falsche Schlussfolgerungen aus überwiegend mit Männern erzielten Ergebnissen oder gemischten Gruppen vermieden werden.
Männer und Frauen sollten nicht mehr als Untergruppen in den Studien betrachtet werden, sondern als biologisch unterschiedliche Gruppen.
Die Geschlechteraspekte in der Uroonkologie betreffen z.B. auch die Urothelkarzinome. Frauen leiden sehr viel häufiger unter Harnweginfekten, so dass Veränderungen im Urin aus diagnostischer Sicht oft lange Zeit rezidivierenden Harnwegsinfekten zugeordnet werden, so dass die Krebsdiagnose erst später gestellt wird. Obwohl die Inzidenz des Harnblasenkarzinoms beim Mann etwa vierfach höher liegt ist die Prognose beim Harnblasenkarzinom für die Frau ungünstiger. Möglicherweise liegt der Unterschied zusätzlich im Effekt des Rauchens, da Frauen gegenüber der Noxe Tabak empfindlicher reagieren und aggressivere Tumoren ausbilden. Während strahlentherapeutische Serien einen Nachteil für Patientinnen zeigen, gleichen sich die Ergebnisse von Frauen und Männern in neueren Zystektomie-Studien an. Bei der Harnableitung bestehen jedoch unterschiedliche Bedürfnisse, welche in die urologische Therapieplanung eingehen müssen.
Die beschriebenen biologischen GU sind letztendlich wiederum nur ein Teil der Erklärung für die GU bei urologischen Erkrankungen, der Tumorentstehung, dem Verlauf und der Prognose. Bis es möglich sein wird eine vollständig individualisierte Therapie allen Menschen anzubieten, sollte doch jetzt die Beachtung der GU in die Routine übergehen. Eine Tumortherapie schließt immer vielfältige therapeutische Ansätze in das Gesamtkonzept ein. Denken Sie an die kulturell bedingten unterschiedlichen Expositionen gegenüber Schadstoffen wie Noxen aus dem Arbeitsumfeld und allen voran der Tabakabusus. Kommunikation im Sinne von „health literacy“ und Zugang zu medizinischer Versorgung sind weitere Themen mit denen sich die Gendermedizin beschäftigt, um den unterschiedlichen Umgang mit Symptomen zu verstehen, gerade denn, wenn der späte Zeitpunkt der Erstvorstellung in einer ärztlichen Praxis, einen Einfluss auf Zeitpunkt der Diagnose, Compliance und letztlich Ergebnis der Therapie haben kann.
Prof. Dr. Kobold, München: Cancer cells induce interleukin-22 production from memory CD4+ T cells via interleukin-1 to promote tumor growth
Zusammenfassung des Vortrages von Univ.-Prof. Dr. med. Sebastian Kobold, anlässlich der Preisverleihung des Clinical Science Award 2019 der DGFIT.Das Immunsystem nimmt eine zentrale Rolle in der Kontrolle von Krebserkrankungen ein. Ab der Entstehung der bösartigen Zelle interagieren Immun- und Krebszellen. Kommt es zum Entstehen einer klinischen Krebserkrankung hat das Immunsystem in dieser Aufgabe versagt. Erkenntnisse neuerer Jahre haben belegt, dass dieser Zustand wieder medikamentös umgekehrt werden kann. Dies bedeutet, dass eine Reaktivierung von Immunzellen gegen Krebszellen therapeutisch sein kann. Ein weniger bekannter und verstandener Umstand ist, dass das Immunsystem auch Krebsfördernd sein kann. Der Botenstoff Interleukin-22 nimmt dabei möglicher Weise eine besondere Rolle ein. Zahlreiche Arbeiten belegen die Tumor-fördernde Wirkung von IL-22 einerseits und Assoziation mit einer schlechten Prognose in den meisten Krebsentitäten. Unklar war bislang wie Krebszellen die Produktion dieses wichtigen Botenstoffes fördern und welche Zellen es im Tumorgewebe produzieren. In einer in Proceedings of the National Academy of Science veröffentlichten Arbeit konnten wir diesen Mechanismus nun entschlüsseln. Wir konnten belegen, dass Krebszellen über „Fresszellen“ weitere Botenstoffe freisetzten, die Immunzellen, sogenannte T-Zellen zur Produktion von IL-22 beitragen. Schaltet man diese Zwischenbotenstoffe aus, wird die IL-22-Produktion gesenkt und konsekutiv das Tumorwachstum in präklinischen Modellen reduziert. In Lungen- und Brustkrebspatienten konnten wir eine substantielle Anzahl solcher T-Zellen nachweisen. Unsere Arbeit legt die Basis für medikamentöse Interventionen, die die IL-22-Produktion beeinträchtigen sollen. Solche Strategien müssen in präklinischen und auch klinischen Studien weiter untersucht werden.
Die DGFIT unterstützt seit ihrer Gründung wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Immun- und Targeted Therapie. Unter anderem wird jährlich der normalerweise mit 2.000,00 Euro dotierte Clinical Science Award vergeben.
Ein unabhängiges Preiskomitee kam nach Begutachtung der ungewöhnlich vielen guten eingereichten Arbeiten zu dem Schluss, den diesjährigen „Clinical Science Award“ der DGFIT diesmal an einen 1. Platz und einen 2. Platz (insgesamt 3.000,00 Euro) zu vergeben.
Der 1. Platz ging an Prof. Dr. med. Sebastian Kobold, München
für folgende Arbeit, hier in der Kurzfassung
Cancer cells induce interleukin-22 production from memory CD4+ T cells via interleukin-1 to promote tumor growth
Das Immunsystem eines Patienten kann in einer wachsenden Zahl an Entitäten und Indikationen erfolgreich gegen seine Tumorerkrankung ausgerichtet und scharf gemacht werden. Gleichzeitig nutzen viele Krebsarten das Immunsystem auch in ihrem Sinne aus. Dies bedeutet, dass Immunzellen oder Bestandteile dessen Krebswachstum und das Fortschreiten der Erkrankung fördern. Diese Prozesse und insbesondere was den Unterschied zwischen einer produktiven anti-tumoralen und einer protumoralen Immunantwort ausmachen sind nur unvollständig verstanden.
Ein Faktor, welches von Immunzellen, insbesondere T-Zellen ausgeschüttet wird ist Interleukin-22 (IL-22). In zahlreichen Arbeiten konnten wir und andere belegen, dass IL-22 in Tumore stark exprimiert wird, das Erkrankungsfortschreiten fördert und mit einer schlechten Prognose assoziiert ist. Ob und wie Krebszellen diese Interaktion fördern können war jedoch unbekannt. In der preisgekrönten Arbeit, konnten wir nun den Mechanismus entschlüsseln durch den Krebszellen direkt die Produktion von IL-22 regulieren können. Krebszellen aktivieren in myeloiden Zellen die Produktion von Interleukin-1, welches wiederum direkt die IL-22 Produktion von T-Zellen ankurbelt. Dadurch werden T-Zellen zu Produzenten des Krebs-fördernden Faktors IL-22. Wir gehen davon aus, dass diese Erkenntnis helfen wird bessere Krebstherapien zu entwickeln die diesen Teufelskreis zu durchbrechen vermögen.
Der 2. Platz ging an Dr. Markus Eckstein, Erlangen
für folgende Arbeit, hier in der Kurzfassung
Charakterisierung des immunologischen Mikromilieus muskelinvasiver Harnblasenkarzinome und klinisch-pathologische Implikationen
Das Urothelkarzinom der Harnblase stellt weltweit eine der zehn häufigsten Malignome dar. Muskelinvasiver Blasenkrebs (MIBC) repräsentiert zwei Drittel des invasiven Urothelkarzinoms und weist eine hohe Morbidität und Mortalität auf. Trotz jahrelanger intensiver therapeutischer und wissenschaftlicher Bemühungen versterben 50-60% der Patienten mit MIBC innerhalb von 5 Jahren. Daher besteht ein großer Bedarf an einer Verbesserung der Patientenbehandlung und der Entwicklung neuer Therapieansätze. Medikamente, die Immunzellen modulieren, stellen neuartige Behandlungsansätze auch für das MIBC dar. In der vorliegenden Arbeit wurde zum genaueren Verständnis immunologischer Vorgänge im MIBC das Microenvironment dieser Tumore mit verschiedenen Methodiken (Genexpression, Immunhistochemie, Histologie) untersucht. Hierzu wurden Proben von insgesamt 542 Patienten mit MIBC untersucht [CCC- Erlangen Metropolregion Nürnberg, n = 135 (CCC-EMN) und TCGA n = 407 ].
Die Daten der Studie zeigen, dass stromale tumorinfiltrierende Lymphozyten (TILs), tertiäre lymphoide Strukturen (TLS) sowie die räumliche Verteilung von Immunzellen und intrinische Blasenkrebssubtypen Faktoren für die Risikostratifizierung von Patienten mit MIBC darstellen. Die Quantität und räumliche Organisation verschiedener Immunzelltypen prädizieren das Ausmaß der antitumoralen Entzündungsreaktion und korrelieren mit intrinsischen Subtypen des MIBC. Ferner ist eine hohe Infiltration von MIBCs mit einer deutlich verbesserten Prognose assoziiert (hohe sTIL-Werte: 74% – [CCC-EMN], 54% – [TCGA] über 5 Jahre vs. niedrige sTIL-Werte: 29% [CCC-EMN] & 28% TCGA-Kohorte]. Interessanterweise weisen basal differenzierte MIBCs eine signifikant gesteigerte Immunzellinfiltration auf, während luminale Tumore deutliche niedrigere Raten an hoch entzündlich-veränderten Tumoren aufweisen. Kongruent mit den Beobachtungen, dass Patienten mit hoher Immuninfiltration eine bessere Prognose aufweisen, konnten wir ebenfalls zeigen, dass eine hohe Immuninfiltration auch innerhalb der Subpopulationen der intrinsischen Subtypen (luminal/basal) Subgruppen mit deutlich verbessertem Überleben identifiziert.
Ein weiteres wichtiges Subkollektiv von Patienten mit MIBCs stellen Patienten dar, die aufgrund einer lokal fortgeschrittenen Erkrankung eine adjuvante platinbasierte Chemotherapie erhalten (pT3 +, extravesikale Ausbreitung oder/und pN+, lymphonodale Metastasierung). Das 5-Jahresüberleben in dieser Subpopulation beläuft sich auf ca. 20-30%. Im Rahmen unserer Studie konnten wir zeigen, dass Patienten unabhängig vom intrinsischen Subtyp hoch signifikant gesteigerte Überlebensraten nach einer adjuvanten platin-basierten Chemotherapie aufweisen sofern die Tumore eine gesteigerte Immuninfiltration zeigten (5-Jahres-Überlebensrate 70%). Nicht entzündlich-alterierte Tumoren waren hingegen mit einer sehr niedrigen Überlebensrate von 15% assoziiert. Dieser Befund ist wichtig, da derzeit keine Biomarker vorliegen, um einen Überlebensvorteil einer adjuvanten Chemotherapie auf Platinbasis vorherzusagen.
Zusätzlich konnten wir zeigen, dass das MIBC verschiedene räumlich-organisierte Immunphänotypen aufweist. Die Anzahl und räumliche Verteilung von TILs, TLS und spezifischen Immunzellpopulationen weisen einen signifikanten Zusammenhang mit MIBC-Subtypen auf und beeinflusst das Überleben der Patienten. Die verschiedenen Immunphänotype sind wie folgt charakterisiert: „Hoch entzündet“, „niedrig entzündet“ und „nicht entzündet“; diese Einteilung ist bereits für andere solide Entitäten beschrieben worden. Neben diesen drei Immunphänotypen konnten wir jedoch einen weiteren, bislang im MIBC nicht beschriebenen Phänotyp identifizierten, welcher extrem hohe Proteinexpressionswerte von PD-L1 auf Tumorzellen und parallel – passend zu einem stark immunsuppressiven Phänotyp- geringere Quantitäten von TILs aufweist (sog. Evasionsphänotyp). Patienten mit hoch entzündeten Tumoren wiesen 5-Jahresüberlebensraten von 80% auf, während die aktiv dem Immunsystem entrinnende (Evasionsphänotyp) und die nichtentzündete Gruppe sehr kurze Überlebensraten von nur 29,3% bzw. 24,1% über 5 Jahre aufwiesen. Ferner konnten wir zeigen, dass sogenannte tertiäre lymphoide Strukturen (Pseudolymphknoten im Tumorgebiet) zum einen signifkant häufiger in entzündlich-verändertem Tumoren auftreten, anderseits jedoch auch unabhängig vom generellen Entzündungsstatus mit einer guten Prognose assoziiert sind. Interessanterweise war nicht nur die totale Anzahl, sondern auch die Distanz (kurze Distanz zum Tumor – bessere Prognose) der TLS zum Tumor für einen Überlebensvorteil entscheidend. Kongruent mit einer immunsuppressiven Aktivität waren TLS in Tumoren mit einem Evasionsphänotyp nur selten nachzuweisen.
Unsere Erkenntnisse erweitern unser Wissen darüber, wie MIBC in Bezug auf sTILs, TLS, Immunzellphänotypen und Genexpression pathologisch analysiert werden können und können dazu beitragen die Präzisionsonkologie im MIBC zu optimieren. Nicht entzündlich-veränderte MIBC repräsentieren 36% (CCC-EMN) bzw. 40% (TCGA) aller MIBC, und unsere Daten legen nahe, dass solche Tumore mit einer schlechteren Response auf Immuntherapien assoziiert sein könnten. Aktuelle Studienergebnisse haben gezeigt, dass nicht entzündlich-veränderte Tumore unter Immuncheckpoint-Therapie mit Pembrolizumab oder Atezolizumab signifikant verringerte Überlebensraten aufweisen, weshalb die Indikation dieser Medikamente in der 1-Linien-Therapie auf entzündlich-veränderte Tumore beschränkt wurde. Diese Patienten könnten deshalb von alternativen Strategien, um eine Immunantwort erneut in Gang zu setzen- z.B. epigenetischen Therapien- profitieren. Patienten mit einem „Evasions“ –Phänotyp könnten aufgrund der starken PD-L1-Expression von einer Anti-PD-L1-Behandlung profitieren. Patienten mit stark entzündeten Tumoren könnten ebenfalls Kandidaten für eine Immuntherapie oder für eine adjuvante Chemotherapie sein. Ferner könnte die Charakterisierung des immunologischen Mikromilieus auch zum Verständnis beitragen, warum bestimmte Tumore nicht von einer adjuvanten Chemotherapie oder einer Immuntherapie profitieren, und deshalb Kandidaten für zielgerichtete Therapien wie beispielsweise der Inhibition des FGF-Rezeptors 3 darstellen.
DGFIT auf dem 28. Urologischen Winterworkshop in Leogang/Österreich
Die Veranstaltung eines Satellitensymposiums durch die DGFIT im Rahmen des alljährlichen Urologischen Winterworkshops in Leogang/Österreich hat schon lange Tradition. Auch in diesem Jahr präsentierten hochkarätige Referenten/innen therapeutische und diagnostische Innovationen mit besonderem Fokus auf das Thema der checkpoint-Inhibition beim Nierenzell- und Urothelkarzinom. Das Symposium fand unter der Leitung von Prof. Dr. Axel Hegele, Marburg und Prof. Dr. Michael Siebels, München.
Am Ende der Veranstaltung wurde der jährlich vergebene Wissenschaftspreis der DGFIT an Dr. Marie-Nicole Theodoraki, Ulm (1. Platz), PD Dr. Philipp Wolf, Freiburg, (2. Platz) und in Abwesenheit an Dr. Johannes Breyer, Regensburg, (auch 2. Platz) verliehen.
Prof. Dr. Hans Heinzer, Hamburg Prostatakarzinom 2019: Die Immuntherapie ist tot, lang lebe die Immuntherapie!
In den letzten Jahren sorgte das Konzept der Immuntherapie gerade beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom für viel Furore. Insbesondere die autologe Immunzelltherapie mit Sipuleucel-T konnte konnte in einer Phase III-Studie (IMPACT) überzeugen. Das Gesamtüberleben konnte gegenüber Placebo signifikant um 4.1 Monate verlängert werden. Diese positiven Daten führten dann zur Zulassung der Substanz durch die FDA und EMA. Nach Markteinführung in den USA war noch 2014 geplant, mit einer weiteren Studie Sipuleucel-T auf dem Europäischen Markt einzuführen. Überraschenderweise wurde dann 2015 die Zulassung in Europa zurückgezogen und sämtliche Pläne zur Markteinführung von Sipuleucel-T in Europa aufgegeben.
Eine weitere vielversprechende Immuntherapie beim Prostatakarzinom zeichnete sich ebenfalls in den letzten Jahren mit der Vakzine PROSTVAC-VF ab.Auch hier konnte zumindest in einer Phase II-Studie ein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt werden und aufgrund der positiven Ergebnisse eine Phase III-Studie angeschlossen werden (PROSPECT). Im September 2017 musste dann der Sponsor dann verkünden, dass die Studie aufgrund enttäuschender Ergebnisse in einer ersten Interimsanalyse gestoppt werden muss. Eine mögliche weitere Studie als Kombinationstherapie wurde bis heute nicht initiiert.
Nach der zwischenzeitlichen Verfolgung anderer Therapiekonzepte beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom nimmt die Immuntherapie langsam wieder Einzug beim Prostatakarzinom. An zentraler Stelle stehen zurzeit dabei die Checkpoint-Inhibitoren. Mit Pembrolizumab sind auch schon die ersten Studien auf den Weg gebracht. KEYNOTE-199 untersucht dabei den Benefit bei Patienten nach Docetaxel-Therapie auch abhängig vom PD-L1-Status. Erste ermutigende Ergebnisse konnten auf dem ASCO 2018 gezeigt werden.
Interessante Ansätze zeigen auch neue Medikamente zum DNA Damage Repair wie Olaparid oder Rucaparib. Auch wenn diese nicht der klassischen Immuntherapie zuzuordnen sind, können sie eventuell in der Kombinationstherapie eine interessante Rolle spielen.
Zusammenfassend wird es sich zeigen, ob neue Medikamente die Immuntherapie beim Prostatakarzinom langfristig beeinflussen können.
Dr. Marie-Nicole Theodoraki, Ulm: Klinische Signifikanz der exosomalen PD-L1 Expression im Plasma von Kopf-Hals-Karzinom Patienten (HNSCC)
Kopf-Hals Karzinome sind bekanntlich hoch immunsuppressive Malignitäten. Trotz der breiten Auswahl an Therapieregiments, haben HNSCC Patienten weiterhin ein schlechtes Outcome, hauptsächlich aufgrund der frühen lymphatischen Metastasierung und lokoregionären Rezidiven. Das für HNSCC charakteristische immunsuppressive Profil entsteht unter anderem durch die Produktion von diversen inhibitorischen Faktoren im Tumormikromilieu. Eine hohe PD-L1 Expression in HNSCC geht mit einer schlechteren Prognose einher. Dennoch profitieren nicht alle Patienten von einer Immuntherapie.
Exosome aus Tumorzellen beinhalten diverse immunsuppressive Moleküle, die in konzentrierter Form an die Immunzellen weitergegeben werden. Wir haben gezeigt, dass Exosome von HNSCC Patienten eine signifikante Rolle in der Regulation der Tumorentwicklung spielen. Somit stellt sich die Frage ob die exosomale Expression von PD-1 und PD-L1 verantwortlich ist für die klinisch beobachteten immunologischen Effekte.
Exosome von 40 HNSCC Patienten wurden aus dem Plasma mittels „mini size exclusion“ Chromatographie extrahiert. Nach Bindung mit CD63 Antikörper-bead Komplexen wurde PD-1 und PD-L1 durchflusszytometrisch gemessen. PD-L1high oder PD-L1low Exosome wurden mit aktivierten CD8+ T-Zellen inkubiert mit/ohne PD-1 Inhibitor. Die T-Zell Aktivität wurde gemessen durch Bestimmung der CD69 Oberflächenexpression. Zusätzlich wurden Plasmaproben dieser Patienten auf frei lösliches PD-L1 getestet.
Als Erstes wurde der Proteingehalt der exosomalen Fraktion gemessen als Marker für die Exosom-Last. Hier war ersichtlich, dass Patienten mit einer aktiven Tumorerkrankung (active disease, AD) signifikant höhere Proteinkonzentrationen aufwiesen im Vergleich zu Patienten mit Zustand nach einer Tumorerkrankung (no evident disease, NED). Die exosomale PD-L1 Oberflächenexpression korrelierte mit der Tumoraktivität, sowie dem UICC Stadium der Patienten. Patienten mit einer Lymphknotenmetastasierung, einem hohem UICC Stadium und einer AD hatten signifikant höhere PD-L1 Levels auf den Exosomen (Abbildung 1). Die PD-1 Expression und das lösliche PD-L1 im Plasma zeigten keine signifikante Korrelation.
Um die funktionelle Relevanz von PD-L1 auf der Oberfläche von Exosomen zu testen, wurden aktivierte CD8+ T Zellen mit Exosomen inkubiert, die entweder einen hohen PD-L1 Oberflächengehalt hatten oder einen niedrigen. Die T-Zell Aktivität konnte signifikant durch PD-L1high Exosome inhibiert werden im Vergleich zu PD-L1low Exosome, die eine geringgradige Inhibition bewirkten. Die signifikante Suppression durch PD-L1high Exosome konnte jedoch nahezu vollständig aufgehoben werden durch den Zusatz eines PD-1 Inhibitors (Abbildung 2). In dieser Arbeit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass exosomale PD-L1 Levels -aber nicht die Plasma PD-L1 Levels- mit pathologischen Parametern in Kopf-Hals-Karzinom Patienten korrelieren. Die Inhibierung der PD-1/PD-L1 Achse konnte durch einen anti-PD-1 Antikörper effektiv revidiert werden. Somit wurde ersichtlich, dass Exosome aktiv den PD-1/PD-L1 Signalweg in T Zellen beeinflussen können. Demnach können Exosome nicht nur als Marker der Tumor- und Immunaktivität in HNSCC Patienten dienen sondern sollten bei Therapien mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren berücksichtigt werden.
Prof. Dr. Christian Doehn, Urologikum Lübeck: Das metastasierte Nierenzellkarzinom: Was war 2018? Was kommt 2019?
Derzeit sind neben den Zytokinen Interferon-alpha und Interleukin-2 weitere 13 Medikamente zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen. Die meisten Vertreter gehören zu den Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI). Neue immunonkologische Ansätze beinhalten insbesondere antikörperbasierte Strategien. Von den wohl in mindestens dreistelliger Zahl vorliegenden Checkpoints auf der Oberfläche von Immun- und Tumorzellen (u.a.) spielen beim Nierenzellkarzinom die antikörper-vermittelte Checkpoint-Inhibitoren (CPI) von PD-1 (z.B. Nivolumab), PD-L1 (z.B. Atezolizumab) sowie CTLA-4 (z.B. Ipilimumab) derzeit die größte Rolle.
Verschiedene klinische und laborchemische Parameter erlauben eine Aussage zur Prognose des Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Gesamtüberleben (overall survival, OS), weniger für das progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) und gar nicht für das Ansprechen (response rate, RR). Im MSKCC-Score (auch Motzer-Score) werden die Parameter Allgemeinzustand, Zeit von Diagnose bis zur Therapie (von Metastasen), Hämoglobin, Laktatdehydrogenase und korrigiertes Kalzium betrachtet und für jedes abnorme Ergebnis ein Punkt verteilt. Eine gute, intermediäre und schlechte Prognose (im Hinblick auf das OS) wird angenommen bei 0 Punkten, 1-2 Punkten bzw. 3 und mehr Punkten. Im IMDC-Score (auch Heng-Score) werden die Parameter Allgemeinzustand, Zeit von Diagnose bis zur Therapie (von Metastasen), Hämoglobin, korrigiertes Kalzium, neutrophile Granulozyten und Thrombozyten betrachtet und für jedes abnorme Ergebnis ein Punkt verteilt. Eine gute, intermediäre und schlechte Prognose (im Hinblick auf das OS) wird angenommen bei 0 Punkten, 1-2 Punkten bzw. 3 und mehr Punkten. In den Studien der letzten Jahre wurden die o.g. Scores und auch die jeweiligen Risikogruppen in unterschiedlicher Weise verwendet. Teilweise sind diese Aspekte auch in den Zulassungstext übernommen worden. Das genannte Vorgehen erschwert den Vergleich verschiedener Studien.
Was war in 2018?
In der Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms haben sich seit Mitte 2017 drei Veränderungen ergeben. Der TKI Tivozanib wurde von der EMA zugelassen – basierend auf den Ergebnissen einer älteren Phase-III-Studie gegen Sorafenib. Für den TKI Cabozantinib, welcher bereits in der Zweitlinientherapie eingesetzt wird, wurde die Zulassung auf die Erstlinientherapie erweitert. Basis hierfür waren die Ergebnisse einer Phase-II-Studie gegen Sunitinib. Außerdem wurde die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab zugelassen. Diese Kombination hat ihre Überlegenheit in einer Phase-III-Studie gegenüber Sunitinib für die Endpunkte PFS, die RR und das OS gezeigt – allerdings „nur“ für Patienten mit intermediärer oder schlechter Prognose nach den IMDC-Kriterien. Bei Patienten mit guter Prognose zeigte Sunitinib bessere Ergebnisse für die Parameter PFS und RR.
Was kommt in 2019?
In der Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms werden neben der bereits genannten Kombination Nivolumab/Ipilimumab auch andere Kombinationen geprüft. Es handelt sich hierbei um eine Kombination des CPI Atezolizumab und Bevacizumab (IMmotion 151) bzw. um eine Kombination des CPI Pembrolizumab mit Axitinib (Keynote-426) bzw. eine Kombination des CPI Avelumab mit Axitinib (Javelin Renal 101). In allen Studien wird gegen Sunitinib geprüft. Die besten Ergebnisse für die Endpunkte PFS, RR und OS liegen derzeit aus der Keynote-426 vor, wobei die Daten für den Endpunkt OS in keiner der genannten drei Studien „reif“ sind.
Bei aller Euphorie über die Ergebnisse der genannten Kombinationsstudien muss beachtet werden, dass die Anzahl Grad3/4-Nebenwirkungen höher ist als bei einer CPI-Monotherapie. Ebenso können sich neue therapeutische Herausforderungen im Nebenwirkungsmanagement ergeben. Als Beispiel sei genannt: TKI-bedingte Diarrhoe vs. CPI-bedingte Diarrhoe vs. Kombination aus beiden Ursachen.
Zukünftige Aktivitäten müssen weiterhin Antworten auf die folgenden Punkte liefern: Patientenselektion, Biomarker, (bildgebende) Bewertung des Therapieansprechens und Nebenwirkungsmanagement.
Symposium „Checkpoints 2019 in der Urologie“ mit Verleihung Clinical Science Award 2018
Auch 2019 bietet die DGFIT auf dem 28. Urologischen Winterworkshop am Dienstag, den 29.1.2019, in Leogang, im Kongresszentrum Krallerhof ein Symposium mit hochkarätigen Vorträgen zu aktuellen Themen rund um die Immun- und Targeted-Therapie an. Im Rahmen des interessanten Vortragprogramms wird auch der DGFIT-Wissenschaftspreis „Clinical Science Award“ an die diesjährigen Preisträger verliehen.
Programm:
Moderation: Michael Siebels, Axel Hegele _________ 08:15 – 08:30 Immuntherapie beim Prostatakarzinom H. Heinzer _________ 08:30 – 08:45 Monozentrische Real World Data zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms: Wer profitiert am meisten? M. Schwab _________ 08:45 – 09:00 Das metastasierte Nierenzellkarzinom: Was war 2018? Was kommt 2019? Neue Daten zur S3 Leitlinie C. Doehn _________ 09:00 – 09:15 Klinische Signifikanz der exosomalen PD-L1 Level im Plasma von Kopf-Hals-Karzinom Patienten M.- N. Theodoraki _________ 09:15 – 09:20 Verleihung des DGFIT Science-Award 2018 M. Siebels
Die DGFIT unterstützt seit ihrer Gründung wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Immun- und Targeted Therapie. Unter anderem wird jährlich der normalerweise mit 2.000,00 Euro dotierte Clinical Science Award vergeben.
Ein unabhängiges Preiskomitee kam nach Begutachtung der ungewöhnlich vielen guten eingereichten Arbeiten zu dem Schluss, den diesjährigen „Clinical Science Award“ der DGFIT diesmal an einen 1. Platz und zwei 2. Plätze (insgesamt 4.000,00 Euro) zu vergeben.
Der 1. Platz ging an Dr. Marie-Nicole Theodoraki, Ulm, für die Arbeit
„Klinische Signifikanz der exosomalen PD-L1 Expression im Plasma von Kopf-Hals-Karzinom Patienten (HNSCC)“,
der 2. Platz an PD Dr. Philipp Wolf, Freiburg für die Arbeit
Targeted induction of the intrinsic apoptotic pathway in prostate cancer – a way out of a therapeutic dead end?
und an Dr. Johanes Breyer für die Arbeit
High PDL1 mRNA expression predicts better survival of stage pT1 non‑muscle‑invasive bladder cancer (NMIBC) patients
Zusammenfassung der Arbeiten:
Klinische Signifikanz der exosomalen PD-L1 Expression im Plasma von Kopf-Hals-Karzinom Patienten (HNSCC)
Kopf-Hals Karzinome sind bekanntlich hoch immunsuppressive Malignitäten. Trotz der breiten Auswahl an Therapieregiments, haben HNSCC Patienten weiterhin ein schlechtes Outcome, hauptsächlich aufgrund der frühen lymphatischen Metastasierung und lokoregionären Rezidiven. Das für HNSCC charakteristische immunsuppressive Profil entsteht unter anderem durch die Produktion von diversen inhibitorischen Faktoren im Tumormikromilieu. Eine hohe PD-L1 Expression in HNSCC geht mit einer schlechteren Prognose einher. Dennoch profitieren nicht alle Patienten von einer Immuntherapie.
Exosome aus Tumorzellen beinhalten diverse immunsuppressive Moleküle, die in konzentrierter Form an die Immunzellen weitergegeben werden. Wir haben gezeigt, dass Exosome von HNSCC Patienten eine signifikante Rolle in der Regulation der Tumorentwicklung spielen. Somit stellt sich die Frage ob die exosomale Expression von PD-1 und PD-L1 verantwortlich ist für die klinisch beobachteten immunologischen Effekte.
Exosome von 40 HNSCC Patienten wurden aus dem Plasma mittels „mini size exclusion“ Chromatographie extrahiert. Nach Bindung mit CD63 Antikörper-bead Komplexen wurde PD-1 und PD-L1 durchflusszytometrisch gemessen. PD-L1high oder PD-L1low Exosome wurden mit aktivierten CD8+ T-Zellen inkubiert mit/ohne PD-1 Inhibitor. Die T-Zell Aktivität wurde gemessen durch Bestimmung der CD69 Oberflächenexpression. Zusätzlich wurden Plasmaproben dieser Patienten auf frei lösliches PD-L1 getestet.
Als Erstes wurde der Proteingehalt der exosomalen Fraktion gemessen als Marker für die Exosom-Last. Hier war ersichtlich, dass Patienten mit einer aktiven Tumorerkrankung (active disease, AD) signifikant höhere Proteinkonzentrationen aufwiesen im Vergleich zu Patienten mit Zustand nach einer Tumorerkrankung (no evident disease, NED). Die exosomale PD-L1 Oberflächenexpression korrelierte mit der Tumoraktivität, sowie dem UICC Stadium der Patienten. Patienten mit einer Lymphknotenmetastasierung, einem hohem UICC Stadium und einer AD hatten signifikant höhere PD-L1 Levels auf den Exosomen (Abbildung 1). Die PD-1 Expression und das lösliche PD-L1 im Plasma zeigten keine signifikante Korrelation.
Um die funktionelle Relevanz von PD-L1 auf der Oberfläche von Exosomen zu testen, wurden aktivierte CD8+ T Zellen mit Exosomen inkubiert, die entweder einen hohen PD-L1 Oberflächengehalt hatten oder einen niedrigen. Die T-Zell Aktivität konnte signifikant durch PD-L1high Exosome inhibiert werden im Vergleich zu PD-L1low Exosome, die eine geringgradige Inhibition bewirkten. Die signifikante Suppression durch PD-L1high Exosome konnte jedoch nahezu vollständig aufgehoben werden durch den Zusatz eines PD-1 Inhibitors (Abbildung 2). In dieser Arbeit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass exosomale PD-L1 Levels -aber nicht die Plasma PD-L1 Levels- mit pathologischen Parametern in Kopf-Hals-Karzinom Patienten korrelieren. Die Inhibierung der PD-1/PD-L1 Achse konnte durch einen anti-PD-1 Antikörper effektiv revidiert werden. Somit wurde ersichtlich, dass Exosome aktiv den PD-1/PD-L1 Signalweg in T Zellen beeinflussen können. Demnach können Exosome nicht nur als Marker der Tumor- und Immunaktivität in HNSCC Patienten dienen sondern sollten bei Therapien mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren berücksichtigt werden.
PD Dr. rer. nat. Philipp Wolf, Freiburg Gezielte Aktivierung des intrinsischen Apoptosewegs beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom – ein Ausweg aus der therapeutischen Sackgasse?
Für das fortgeschrittene Prostatakarzinom existiert bis heute keine kurative Therapie. Hintergrund sind genetische und epigenetische Änderungen, die in verschiedenen androgen-abhängigen und –unabhängigen Signalwegen während Tumorgenese, -progression und Therapie entstehen und die zu Resistenzen und letztlich zum Therapieversagen führen [1]. Wir haben für unseren neuen immuntherapeutischen Ansatz deshalb einen Signalweg ausgewählt, der auch in fortgeschrittenen Tumorstadien noch funktionell vorliegt: den intrinsischen Apoptoseweg. Zentrale Elemente dieses Signalwegs sind Proteine der Bcl-2 (B cell lymphoma 2) Familie. Auf der einen Seite gibt es die pro-apoptotischen Proteine, zu denen die Sensibilisatoren (BAD, NOXA) und die Effektoren (Bax, Bak) gehören. Auf der anderen Seite gibt es die anti-apoptotischen Proteine, deren wichtigste Vertreter Bcl-2, Bcl-xl und Mcl-1 sind. In einer lebenden Zelle liegen die Effektoren Bax und Bak gebunden an die anti-apoptotischen Proteine Bcl-2, Bcl-xl und Mcl-1 vor und sind dadurch blockiert. Kommt es zu einem Apoptose-Stimulus in der Zelle, fangen die Sensibilisatoren BAD und NOXA die anti-apoptotischen Proteine ab. Dadurch werden die Effektoren Bax und Bak freigesetzt und können in den Mitochondrienmembranen der Zelle Poren bilden. Dies führt zu einer Freisetzung von Cytochrom C aus den Mitochondrien, zur Aktivierung proteolytischer Caspasen und damit zum Zelltod (Abb. 1A).
Wie bei anderen Tumoren auch, kann beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom eine erhöhte Expression der anti-apoptotischen Proteine Bcl-2, Bcl-xl und Mcl-1 beobachtet werden, die zur Apoptoseresistenz führt. Interessanterweise liegen aber auch die pro-apoptotischen Effektoren Bax und Bak in 77,5-100% aller Karzinome unabhängig vom Tumorgrad vor; zudem stellen Mutationen in Bax und Bak nur sehr seltene Ereignisse dar [2,3]. Dies bedeutet, dass die Effektoren Bax und Bak in allen Stadien des Prostatakarzinoms funktionell vorhanden sind und zu einer direkten Auslösung von Apoptose in den Tumorzellen führen können. Wir identifizierten deshalb die anti-apoptotischen Proteine Bcl-2, Bcl-xl und Mcl-1 als Zielstrukturen unserer Therapie, damit Bax und Bak zur Auslösung von Apoptose freigesetzt werden können. Mit dem BH3 Mimetikum ABT-737 und seinem oral verabreichbaren Analogon ABT-263 (Navitoclax) existieren Inhibitoren, die strukturell dem Sensibilisator BAD gleichen und entsprechend diesem Bcl-2 und Bcl-xl binden können. Sie können damit zur Freisetzung von Bak und Bax und damit zur Auslösung von Apoptose in Zielzellen führen. Da sie jedoch Mcl-1 nicht hemmen, ist ihre anti-tumoröse Wirkung gerade in Tumoren, die wie das Prostatakarzinom eine Mcl-1 Hochregulierung aufweisen, sehr begrenzt [4].
Wir kombinierten deshalb ABT-737 mit dem Immuntoxin D7(VL-VH)-PE40, welches in unserem Labor entwickelt wurde [5]. Das Immuntoxin besteht aus dem Antikörperfragment D7(VL-VH), welches an das Prostataspezifische Membranantigen (PSMA) auf Prostatakrebszellen bindet. Die Toxindomäne PE40 stammt aus dem Virulenzfaktor Exotoxin A des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa und führt zur Inhibition der Proteinbiosynthese in Zielzellen [6].
Wir konnten zeigen, dass unser Immuntoxin zu einer schnellen Herunterregulierung von Mcl-1 führte. Die Kombination von ABT-737 mit dem Immuntoxin führte zur Auslösung von Apoptose in PSMA-positiven Prostatakrebszellen und synergistischen zytotoxischen Effekten mit mittleren, effektiven Konzentration im niedrigen picomolaren Bereich [7].
Mechanistisch betrachtet konnten Bcl-2 und Bcl-xl durch ABT-737 gehemmt und Mcl-1 durch das Immuntoxin herunterreguliert werden. Dies führte zur Freisetzung von Bax und Bak und zur gezielten Auslösung von Apoptose (Abb. 1B). Zurzeit wird die antitumoröse Wirkung dieser Kombinationstherapie in vivo überprüft.
Die Kombination aus ABT-737 und Immuntoxin könnte künftig eine Alternative für Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom darstellen, bei denen es zum Versagen etablierter Therapien gekommen ist. Sie könnte, unabhängig von Änderungen in androgen-abhängigen und -unabhängigen Signalwegen, zur gezielten und direkten Auslösung von Apoptose in Prostatakrebszellen eingesetzt werden. Das Projekt wird von der Wilhelm Sander-Stiftung unterstützt (Nr. 2016.089.1).
1. Katzenwadel A and Wolf P: Cancer Lett 2015; 367(1): 12-17. 2. Krajewska M et al.: Am J Pathol 1998; 148: 1567-76. 3. Anvari K et al.: Urol J 2012; 9: 381-388. 4. Wolf P: Front Pharmacol 2017; 8: 557. 5. Michalska M et al.: Oncotarget 2016; 7(16): 22531-22542. 6. Michalska M and Wolf P: Front Microbiol 2015; 6: 963. 7. Noll T et al.: Cancer Immunol Immunother 2018; 67(3), 413-422.
Für den CSA 2017 wurden zahlreiche hochqualifizierte Arbeiten eingereicht. Der mit 2.000,00 Euro dotierte CSA 2017 ging an
Prof. Dr. Mascha Binder für ihre Arbeit:
”T-cell diversification reflects antigen selection in the blood of patients on immune checkpoint inhibition and may be exploited as liquid biopsy biomarker”
Der Preis wurde anlässlich des DGFIT Symposiums auf dem Winterworkshop in Leogang am 29. Januar 2018 überreicht.
Zusammenfassung der ausgezeichneten Arbeit:
Die Immuntherapie von Krebs (Immunonkologie) entwickelt sich zunehmend zu einer weiteren wichtigen Therapiesäule der systemischen Tumortherapie, gerade aufgrund der jüngsten medikamentösen Entwicklungen in diesem Bereich. Ein Meilenstein war die Einführung der monoklonalen Antikörper in die Krebstherapie, die gezielt an Oberflächeneiweiße der Krebszelle andocken und diese vernichten. Viele dieser Antikörper haben allerdings – nicht zuletzt aufgrund von rascher Resistenzentwicklung – einen limitierten klinischen Erfolg gerade bei der Behandlung von Patienten mit soliden Tumoren.
Die immuntherapeutische Forschung der vergangenen Jahre hat nun höchst interessante und gänzlich neuartige Therapieprinzipien etabliert, mit denen sich eine Vision zu realisieren scheint, bei der das körpereigene Immunsystem des Krebspatienten medikamentös gegen die Tumorerkrankung scharfgeschaltet werden kann.
Paradebeispiel für eine solche Medikamentenklasse sind die Immun Checkpoint Inhibitoren, welche Bremsen im Immunsystem des Krebspatienten durch Antikörperblockade inhibitorischer Checkpoints (z.B. CTLA-4, PD-1 oder PD-L1) zu lösen in der Lage sind. Die bemerkenswerten klinischen Erfolge haben zur Zulassung dieser Therapeutika für Patienten mit Melanom, Bronchialkarzinom, Blasenkarzinom, Nierenzellkarzinom, sowie dem Morbus Hodgkin geführt. Ein Hauptproblem der Checkpoint Inhibitoren liegt allerdings darin, dass ein großer Teil der Patienten nicht von der Therapie profitiert. Biomarker zur Patientenselektion für diese kostspieligen Therapien werden daher dringend benötigt. Frühere Studien zu Biomarkern haben sich bislang – was das PD-1 Targeting angeht – hauptsächlich auf die Bestimmung der Expression des PD-1 Liganden PD-L1 im Tumorgewebe fokussiert. Tatsächlich weißt dieser Biomarker jedoch eine erhebliche Unschärfe auf. Viele weitere Faktoren scheinen das Ansprechen zu beeinflussen, u.a. die Tumorgenomik (Anzahl der Neoepitope, bestimmte Gensignaturen), die Infiltration des Tumors mit T-Zellen oder die T-Zell Klonalität.
Zukünftige Anstrengungen werden sich darauf richten müssen, einen einfachen, klinisch nutzbaren Surrogat-Biomarker zu identifizieren mit ausreichender Prädiktionskraft für das Ansprechen auf diese vielversprechenden immunologischen Therapien.
ach der Eröffnung des 26. Urologischen Winterworkshop durch Prof. Dr. Martin Kriegmair startete die DGFIT ihr schon traditionelles Satellitensymposium. Im Kongresszentrum des Hotels Krallerhof, eingerahmt in eine wunderschöne Winterlandschaft, wurde eine Reihe von hochinteressanten Vorträgen von renommierten Experten gehalten. Das Symposium fand unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Siebels (München) und Prof. Dr. Dominik Rüttinger (Penzberg) statt. Am Ende des Symposiums wurde zusätzlich der dotierte wissenschaftliche „Clinical Science Award“ der DGFIT an die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Elfriede Nössner (Helmholtz Zentrum München, Immunoanalytics- Core Facility & Research Group Tissue Control of Immunocytes) für Ihre Arbeit mit dem Titel „Progressive natural killer cell dysfunction associated with alterations in subset proportions and receptor expression in soft-tissue sarcomapatients“ verliehen.
Die Vorträge des DGFIT-Symposiums werden im Folgenden kurz dargestellt:
Prof. Dr. M. Siebels: Immun-Checkpoint Inhibitoren beim Nierenzellkarzinom
In der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) ist die „targeted therapy“, mit der sich die Signaltransduktion zum Beispiel durch Tyrosinkinase(TKI)- oder mTOR-Inhibitoren auf mehreren Ebenen blockieren lässt, inzwischen fest im klinischen Alltag etabliert. Doch trotz aller Fortschritte in der Therapie ist die Prognose der Erkrankung weiterhin schlecht und komplette Remissionen sind selten.
Ein neuer Angriffspunkt in der RCC-Therapie könnten sog. Immun-Checkpoint-Rezeptoren PD (Programmed Death)-1 sein. In der zulassungsrelevanten, randomisierten offenen Phase-III-Studie CheckMate-025 der PD1-Inhibitor gegen Everolimus getestet. Erstmalig wurde das OS beim vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem RCC zum primären Studienendpunkt gewählt. Insgesamt waren 821 Patienten mit fortgeschrittenem klarzelligen RCC eingeschlossen; 72 % der Patienten waren mit einer und 28 % mit maximal zwei antiangiogenetischen Therapien vorbehandelt. Die Randomisierung der Patienten erfolgte entweder auf Nivolumab (Opdivo®) 3 mg/kg intravenös über 60 Minuten alle zwei Wochen oder Everolimus 10 mg täglich oral. Im Ergebnis erreichten Nivolumab-behandelte Patienten ein medianes OS von 25,0 Monaten versus 19,6 Monaten unter der Vergleichstherapie mit dem mTOR-Inhibitor. Damit konnte das Sterberisiko im Nivolumab-Arm (n = 410) gegenüber Everolimus (n = 411) um 27 % reduziert werden (HR 0,73; p = 0,002). Der mediane Überlebensvorteil konnte in allen Subgruppen und wurde unabhängig vom PD-L1-Status (Tumormembran-Expressionsgrad von < 1 % oder ≥ 1 %) nachgewiesen. Mit 25 % versus 5 % im Vergleichsarm sprachen Patienten unter Nivolumab signifikant häufiger an (objektives Ansprechen, p < 0,001). Die Studie wurde im Juli 2015 vorzeitig beendet, weil die Überlegenheit von Nivolumab hinsichtlich des OS frühzeitig erreicht wurde.
In einem aktuellen update der Studie, präsentiert von Plimack et al. auf dem 15th International Kidney Cancer Symposium 4.-5.Nov.2016 in Miami, konnte eine weitere Verbesserung des OS um 6,3 Monate gezeigt werden. (Abb.1)
Verglichen mit dem mTor-Inhibitor war die Behandlung mit Nivolumab seltener mit therapiebedürftigen Nebenwirkungen assoziiert. Unter Nivolumab traten Nebenwirkungen Grad 3 oder 4 bei 19 % der Patienten auf, gegenüber 37 % unter dem mTOR-Inhibitor. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass die LQ, welche anhand von FKSI-DRS Fragebögen gemessen wurde im Nivolumab-Arm über die Therapie Zeit im Vergleich zu Everolimus deutlich anstieg.
Aktuell sind fast 50 Studien! mit dem Wirkstoff Nivolumab registriert: Einige interessante Beispiele sind „Nivolumab in Treating Patients With High-Risk Non-Metastatic Kidney Cancer“, „Nivolumab and Stereotactic Ablative Radiation Therapy (SAbR) for Metastatic Clear Cell Renal Cell Carcinoma“, „Study CB-839 in Combination With Nivolumab in Patients With ccRCC and Other Solid Tumors“ und „Study of Nivolumab Plus Chemotherapy in Patients With Advanced Cancer (NivoPlus)“.
Ein weiterer sehr interessanter PD-L1 Antikörper ist Atezolizumab (Tecentriq®) der Firma Roche, welcher von der FDA in den USA bereits für das Bronchialkarzinom zugelassen wurde. Erste Phase 1 Daten beim RCC zeigen gute Ansprechraten bei geringer Toxizität, in etwa vergleichbar mit Nivolumab. Eine vor kurzem publizierte Arbeit in Nature zeigte eine Verbesserung der T-Zell Migration beim mRCC durch die Kombination von Atezolizumab und Bevacizumab. In der derzeit laufenden Studie Immotion-150 wird diese Kombination gegen Atezolizumab allein und Sunitinib getestet.
Die guten Ergebnisse der Checkpoint-Immuntherapien beim RCC stimmen optimistisch. Es bleiben aber noch viele Fragen unbeantwortet: Welchen checkpoint-Inhibitoren sollten/können kombiniert werden, was bewirken checkpoint-Inhibitoren in Kombination mit VEGF TT oder Chemotherapien, wie sieht die optimale Sequenz aus und die wichtigste Frage, welche Pat. sind für die Therapien geeignet oder sprechen am besten an, gibt es dafür Biomarker?
Michael Rink: Die S3 Leitlinie Blasenkarzinom: Welche Bedeutung hat die Immuntherapie?
Das Urothelkarzinom der Harnblase besitzt eine ausgesprochen große genetische Heterogenität. Epitope durch Zufallsmutationen in den Tumorzellen spielen eine signifikante Rolle in der Immunogenität eines Tumors und bei der adaptiven Immunantwort. Aufgrund seiner hohen Mutationsfrequenz ist das Urothelkarzinom ein immunogenes Karzinom. Der Einsatz der Immuntherapie ist daher beim Urothelkarzinom nicht völlig neu. Seit Mitte der 1970 Jahre stellt eine intravesikale Immuntherapie mit Bacillus Calmette Guerin (BCG) eine feste Standardtherapie in der adjuvanten Behandlung des Nicht-Muskelinvasiven Blasenkarzinoms dar. Die neue S3-Leitline zum Blasenkarzinom positioniert sich recht klar in der Empfehlung bezüglich des Einsatzes von BCG: Wenn bei Patienten mit einem Urothelkarzinom der Harnblase im high-risk Stadium keine Früh-Zystektomie indiziert ist, soll eine BCG-Instillationstherapie vorgenommen werden. Bei kompletter Remission nach der Induktionsphase (6 Instillationen in wöchentlichen Abständen) soll zusätzlich eine Erhaltungstherapie erfolgen. Die Erhaltungstherapie soll mit jeweils 3 BCG-Instillationen in wöchentlichen Abständen nach 3, 6 und 12 Monate nach Beginn des Induktionszyklus durchgeführt werden und bei high-risk Tumoren bis zu 36 Monate fortgeführt werden. Rationale hierfür ist die Tatsache, dass eine BCG-Therapie Erhaltungstherapie bei intermediate und high-risk Tumoren die Rezidivrate signifikant gegenüber einer Chemotherapieinstillation reduziert, während dieser Effekt bei einer alleinigen Induktionstherapie nicht sicher nachweislich ist. Ein Einfluss auf die Progressionsrate ist nicht gesichert. Ein Unterschied zwischen den verfügbaren BCG-Stämmen in Bezug auf Wirksamkeit und Nebenwirkungsrate ist derzeit nicht belegt. Der Einfluss von Maßnahmen zur Reduktion von Nebenwirkungen bei einer BCG-Instillationstherapie (z.B. Dosismodifikationen, begleitende Antibiotikagabe) auf die Rezidiv- und Progressionsrate ist insgesamt unzureichend untersucht.
Neuere Daten belegen zudem eine Wirksamkeit intravenös applizierter Immuntherapeutika (PD-1/PD-L1 Rezeptor Inhibitoren) in der Behandlung des fortgeschrittenen und metastasierten Urothelkarzinoms. Da die Studiendaten allerdings bislang fast ausschließlich auf Phase I/II Daten beruhen, wird in der S3 Leitlinie zurecht konstatiert, dass die Ergebnisse aktuell laufender Studien abgewartet werden müssen, wie eine PD-1 bzw. PD-L1 gerichtete Immuntherapie in der Zweitlinien Therapie bzgl. Wirksamkeit und Verträglichkeit gegenüber den konventionellen Chemotherapeutika einzuordnen ist.
Zusammenfassend hat die Immuntherapie bereits einen festen Stellenwert in der Therapie des lokalisierten Urothelkarzinoms und wird evtl. auch bald in der Therapie der fortgeschrittenen Tumore Einzug nehmen.
Gerson Lüdecke: Nierenzellkarzinom transparent – Vorstellung der neuen RCC-App
Der Titel ist Programm. Zielsetzung unserer Entwicklungsarbeit, die in Zusammenarbeit eines 32-köpfigen Expertengremiums und der Firma Novartis entstanden ist, ist es die Therapie des Nierenzellkarzinoms von der Primärdiagnose bis zur Nachsorge strukturiert und Evidenz-basiert im neuen Format einer App jedem interessierten Mediziner zur Verfügung zu stellen. Hierbei ist es in der heutigen Zeit so, dass sowohl Web-basiert als auch Device-basiert im klinischen Alltag gearbeitet wird. Durch die Anwendung einer HTML 5 Programmierung ist es gelungen, ein unterstützendes Werkzeug für den klinischen Alltag sowohl für die Kitteltasche als auch für das Arztgespräch am Schreibtisch in der ärztlichen Praxis zu generieren. Zu jedem Zeitpunkt, der im Rahmen eines Patientenkontaktes und der aufkommenden Differenzialdiagnose Nierenzellkarzinom entsteht, bietet diese App die notwendigen Antworten zum nächsten Schritt in der therapeutischen Betreuung.
Hierzu wurden die Kausalketten für Diagnostik, operative Therapie, pharmakologisch, palliative Therapie von der First Line bis zur Last Line Behandlung, begleitende supportive Therapien und der Nachsorge abgebildet. Im Bereich der Pharmakotherapie wird sowohl die Frage der evidenzbasierten Sequenz als auch alle pharmakologisch relevanten Interaktionsfragen, das Nebenwirkungsmanagement und die Schweregrad assoziierte Therapiesteuerung transparent dargestellt.
Ferner bietet die Software die Möglichkeit, dass alle Kolleginnen und Kollegen, die sich in der medizinischen Ausbildung zum Urologen oder Onkologen befinden mithilfe dieser App eine Lernsoftware an die Hand bekommen, die jederzeit die Fakten beschreibt und daraus resultierend die Fragestellungen klar formuliert. Über die integrierte Verlinkungstechnologie, die eine besondere Leistungsstärke dieser Software darstellt, ergibt sich für jeden Nutzer, dass er im Rahmen der Übung an die jeweils richtige Stelle in der Software geführt wird, um die Antworten auf die gestellten Fragen zu erhalten. Durch die ebenfalls integrierte Rücksprungtechnik, realisiert über Verlinkung findet der Nutzer unmittelbar zurück in den Fall, an der Stelle, wo er die Fragestellung verlassen hat. Auf diese Weise kann das Krankheitsbild in komplettem Umfang in einer interaktiven Weise mit kurzfristiger Lernkontrolle abwechslungsreich abgearbeitet werden. Lernen wird nicht langweilig. Antworten führen zu neuen Fragen. Die App führt zu neuen Antworten.
Dieses Grundsatzprinzip ist in dieser Softwareentwicklung für das Krankheitsbild Nierenzellkarzinom an jeder Stelle verwirklicht. Da das Krankheitsbild im Moment und absehbar auf die Zukunft eine ständig sich weiter entwickelnde medizinische Herausforderung darstellt, kann die App sicherstellen, dass in einem Zeitversatz von etwa acht Wochen neueste Entwicklungen in die Software integriert werden und damit dem Nutzer unmittelbar über einen integrierten Update-Mechanismus zur Verfügung stehen.
Diese softwarebasierte Technologie ist einer klassischen Buch Abhandlung eines Krankheitsbildes maximal überlegen. Flexibilität, Aktualität, Variabilität und Evidenz sind hierdurch ständig abgebildet. Zu finden ist dieses medizinische Tool, welches kein Medizinprodukt darstellt, unter der Internetadresse www.nierenzellkarzinom.info und im iTunes App Store und im Google Play Store unter den Suchbegriffen Nierenzellkarzinom transparent.
Clinical Science Award 2016
Der Clinical Science Award der DGFIT wurde für das Jahr 2016 an Elfriede Nößner und Ihre Arbeitsgruppe vom Helmholtz Zentrum München für Ihre Arbeit „“Progressive natural killer cell dysfunction associated with alterations in subset proportions and receptor expression in soft-tissue sarcomapatients“ auf dem DGFIT Satellitensymposium des „Urologischen Winterworkshop“ im Januar 2017 in Leogang verliehen.
Auch in diesem Jahr kam der unabhängigen Jury eine schwere Aufgabe zu aus den wissenschaftlich exzellenten eingereichten Arbeiten die „Richtige“ auszuwählen.
Die prämierte Arbeit wird nun im Folgenden vorgestellt.
Krebs-Immuntherapie, Checkpoint Inhibitoren, und zukünftige Therapiekombinationen
Elfriede Nößner, Helmholtz Zentrum München, Immunanalytik AG Tissue Control of Immunocytes und Core Facility, Marchioninistraße 25, 81377 München; noessner@helmholtz-muenchen.de
Nach Jahren der Skepsis hat sich nun die Immuntherapie neben Chirurgie, Chemo- und Strahlentherapie und molekular-zielgerichteter Therapie als 5. Säule der Krebstherapie etabliert. Dies begründet sich in den Resultaten mehrerer klinischer Studien, die in randomisierten Ansätzen dauerhafte Remissionen bei Patienten mit metastasierten Tumoren dokumentieren, bemerkenswerte Ergebnisse bei Patienten in Tumorprogress nachdem alle verfügbaren Therapiemaßnahmen ausgeschöpft waren. Insbesondere der Einsatz sogenannter Checkpoint-Inhibitoren,das sind Antikörper die gegen Immunkontrollpunkte (CTLA-4, PD-1/PD-L1) gerichtet sind und die T-Zellen dazu anregen ihre Arbeit wieder aufzunehmen, ist zukunftsweisend (Abbildung 1). Die Checkpoint-Inhibitoren zeigen das Potenzial, die Prognose der Patienten entscheidend zu verbessern und stellen sogar eine langfristige Tumorkontrolle in Aussicht, selbst bei Patienten mit metastasierten Nierenzellkarzinom, dem Bronchialkarzinom, und dem fortgeschrittenen Urothelkarzinom, einer Indikation, in der seit gut 30 Jahren kein wesentlicher therapeutischer Fortschritt erzielt wurde. Trotz dieser bemerkenswerten Behandlungserfolge besteht weiterhin Bedarf an neuen Therapiestrategien, denn deutliche klinische Erfolge werden nur bei Subgruppen von Patienten erreicht.
Blickt man in die Prozesse, die zur erfolgreichen Aktivierung einer Immunantwort nötig sind, so kann man verschiedenste potentielle Ursachen erkennen, wie ein Tumor dem Immunsystem entkommen kann. Gleichzeitig ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, um das Spektrum an Immuntherapien zu erweitern (Abb. 2). So nutzen Tumorzellen nicht nur die immunologischen Checkpoints (CTLA-4, PD-1/PD-L1), um sich vor dem Angriff durch das Immunsystem zu schützen, sondern sie umgeben sich auch mit verschiedensten inhibitorischen Zellen (regulatorische T-Zellen oder Makrophagen), Stoffwechselmediatoren (IDO, Azidose) und Zytokinen (IL-10, TGF-ß), welche die Aktivität tumorzerstörender T-Zellen inhibieren. Darüber hinaus sind oftmals die Blutgefäße, die den Tumor versorgen, verändert, so dass die Immunzellen nicht in den Tumor eindringen können. In solchen Fällen sind therapeutische Kombinationsansätze vielversprechend, die zusätzlich zur Checkpoint-Inhibition Therapeutika einsetzen, die das Gefäßsystem normalisieren und das schädliche Tumormilieu verbessern. Auch die Kombination der beiden Checkpoint-Inhibitoren (anti-CTLA4 und anti-PD-1/PD-L1) ist sinnvoll, weil beide an verschiedenen Schaltstellen der Immunregulation eingreifen. Durch Blockade von CTLA-4 sollten mehr T-Zellen zu Kampf gegen den Krebs aktiviert werden, und diese sollten nach Infiltration in das Tumormilieu durch Blockade des PD-1/PD-L1 Checkpoints mehr Tumorzellen zerstören können (Abb. 1, 2). Verschiedene Kombinationen werden bereits in klinischen Studien getestet und zeigen vielversprechende erste Ergebnisse mit erhöhtem Ansprechen in Kombitionsansätzen.
Für den CSA 2016 wurden zahlreiche hochqualifizierte Arbeiten eingereicht. Der mit 1.000,00 Euro dotierte CSA 2016 ging an die Arbeitsgruppe Veit Bücklein, Tina Adunka, Anna N. Mendler, Rolf Issels, Mar1ion Subklewe, Jan C. Schmollinger und Elfriede Nössner vom Helmholtz Zentrum München für die Arbeit
„Progressive natural killer cell dysfunction associated with alterations in subset proportions and receptor expression in soft-tissue sarcomapatients“.
Der Preis wurde anlässlich des DGFIT Symposiums auf dem Winterworkshop in Leogang am 31. Januar 2017 überreicht.
Zusammenfassung der ausgezeichneten Arbeit:
Tumore können Natürliche Killerzellen ausschalten
Clinical Science Award 2016 der Deutschen Gesellschaft für Immun- und Targeted Therapie (DGFIT e.V.) für die Arbeitsgruppe um Frau Prof. Nößner, Leiterin der Core Facility Immunoanalytics und Arbeitsgruppe Tissue Control of Immunocytes. Die Arbeit mit dem Titel „Progressive natural killer cell dysfunction associated with alterations in subset proportions and receptor expression in soft-tissue sarcoma patients“ entstand in enger Kooperation mit der klinischen Kooperationsgruppe (KKG) „Hyperthermie“ (Prof. Issels) und der KKG Immuntherapie (Prof. Subklewe) (beide Medizinische Klinik III des Klinikums Großhadern, LMU München).
Die Arbeit untersuchte die Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) bei Patienten, die entweder an einem Weichteilsarkom oder klarzelligem Nierenzellkarzinom erkrankt waren. Neben Unterschieden in der relativen Häufigkeit von NK-Zell-Subpopulationen zeigten sich auch funktionelle Defekte der NK-Zellen bei Patienten mit Weichteilsarkom, aber nicht bei Patienten mit Nierenzellkarzinom. Die Defekte waren reversibel, so dass man zukünftig an eine Immuntherapie denken könnte, welche auf die Aktivierung von NK-Zellen ausgerichtet ist. NK-Zellen bilden zusammen mit den CD8+ T-Lymphozyten die Gruppe der zytotoxischen Lymphozyten, welche über die Ausschüttung lytischer Proteine infizierte und entartete Zellen zerstören können. Beide Zellarten spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Tumoren.
Die Immuntherapie entwickelt sich derzeit zu einer der vielversprechendsten neuen Behandlungskonzepte in der Tumortherapie. Klinische Daten zeigen beeindruckende Erfolge bei einer Vielzahl von Tumorerkrankungen. Jedoch sind nicht alle Tumorarten mit den derzeitigen Verfahren behandelbar und deutliche klinische Erfolge werden nur bei Subgruppen von Patienten erreicht. Somit besteht weiterhin Bedarf an neuen Therapiestrategien. Insbesondere brauchen wir ein noch tieferes Verständnis der potentiellen Ursachen für ein Versagen der Immuntherapie, um ein breiteres Patientenkollektiv erfolgreich behandeln zu können. Handlungsbedarf besteht insbesondere für Patienten mit Weichteilsarkomen, da bei diesen Erkrankungen trotz multimodaler Therapieverfahren weiterhin hohe Mortalität besteht.
Das Grundprinzip der neuen Immuntherapien ist es, die Zellen des Immunsystems zur Erkennung der Krebszellen zu aktivieren. Hauptaugenmerk liegt derzeit bei den zytotoxischen T-Zellen, die über die Erkennung von Tumorantigenen, die von HLA-Proteinen (humane Leukozytenantigene) präsentiert werden, Tumorzellen erkennen und zerstören können. Tumorzellen können sich der Erkennung durch T-Zellen entziehen, wenn sie z.B. die Bildung der HLA-Proteine abschalten. Solche Verlustvarianten können im Zuge einer aktiven T-Zell-getriebenen Immunantwort entstehen und die Ursache für Tumorprogress und Therapieversagen sein. Genau auf solche Verlustvarianten sind die NK-Zellen spezialisiert; sie können diese erkennen und zerstören. NK-Zellen arbeiten somit ergänzend zu T-Zellen und bei erfolgreicher Kooperation sollte ein Tumorwachstum verhindert werden können.
In dieser Arbeit wurde nun gezeigt, dass die NK-Zellen von Patienten mit Weichteilsarkomen sowohl in ihrer Anzahl stark reduziert als auch in ihrer zytotoxischen Funktion gestört sind. Diese Störung war umso ausgeprägter, je weiter die Tumorerkrankung fortgeschritten war. Es ließen sich auch bestimmte Marker identifizieren, die möglicherweise den Funktionsverlust bedingen. Interessanterweise waren die NK-Zellen von Patienten mit Nierenzellkarzinom nicht verändert; sie zeigten eine den NK-Zellen von gesunden Spendern vergleichbare Anzahl und Funktion. Das Zytokin IL-2 ist bekannt für seine immunaktivierende Wirkung, und zur Systemtherapie des Nierenzellkarzinoms zugelassen. Tatsächlich konnten selbst die schwer geschädigten NK-Zellen der Sarkompatienten mit IL-2 aktiviert werden und zeigten nach Behandlung vergleichbare zytotoxische Aktivität wie die NK-Zellen gesunder Spender. Somit kann man spekulieren, dass Patienten mit Weichteilsarkom möglicherweise von einer Immuntherapie profitieren dürften, die auf die Aktivierung von NK-Zellen ausgerichtet ist.
Der 25. Urologische Winterworkshop fand unter Leitung von Prof. Martin Kriegmair und Dr. Ralph Oberneder vom 26.01. bis 29.01.2016 im Kongresszentrum Krallerhof in Österreich statt. Wie jedes Jahr wurde mit zahlreichen Vorträgen und Workshops über den aktuellen Forschungsstand der Urologie ein interessantes und vielseitiges Programm geboten.
Die Veranstaltung eines Satellitensymposiums durch die DGFIT im Rahmen des Winter-Workshops in Leogang hat bereits Tradition. Diesmal war es jedoch eine außergewöhnliche Veranstaltung: Nicht nur der Urologische Winterworkshop beging sein Viertel-Jahrhundert Jubiläum, sondern auch die DGFIT hatte etwas Besonderes zu feiern: Die Gesellschaft gibt es jetzt schon seit 15 Jahren. Daher war es eine besondere Freude, dass Prof. Edith Huland, Gründerin und Ehrenmitglied der DGFIT aus Hamburg, einen Überblick über 15 Jahre Immuntherapie gab. Das Symposium fand unter Leitung von Prof. Dr. M. Siebels, München, und Prof. Dr. H. Heinzer, Hamburg statt.
Die Vorträge zu aktuellen Themen des Nierenzellkarzinoms werden im Folgenden kurz dargestellt:
Frau Prof. Dr. Edith Huland, Hamburg
Frau Prof. E. Huland brachte einen Überblick über die alte und neue Bedeutung von Interleukin-2 (IL-2) in den letzten 15 Jahren:
Immuntherapie ist ein wesentlicher Schlüssel zur Heilung von Krebs- und Viruserkrankungen. IL-2, das Immunhormon, welches das Immunsystem des Patienten fit macht, um Tumorzellen zu vernichten, bekommt heute genau deshalb wieder neue Anerkennung (2014 Muhitch et al. High-dose IL-2 for metastatic renal cell carcinoma: can the first antitumor immunotherapy be reinvented? Immunotherapy 6, 955). Steven Rosenberg berichtet aktuell von einer Patientin mit metastasiertem Melanom, die 1984 durch IL2 eine komplette Remission erfahren hat und nachweislich mehr als 29 Jahren tumorfrei ist. (2014 Rosenberg: IL-2 The First Effective Immunotherapy for human Cancer. J Immunol, 192, 5451). Das immunologische Potential von IL-2 wird gerade (wieder) entdeckt. Wer mit einem metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC) Heilung sucht, hat auch heute keine andere Alternative, so Hanzly: „Patients with mRCC have poor survival, and the only treatment option with durable remissions and proven track record of cure in this otherwise lethal disease is HDIL-2 immunotherapy.“ (2014 Hanzly High-dose Interleukin-2. Therapy for mRCC: A Contemporary Experience. Urology 83: 1129e1134). Der Grund für das Schattendasein von IL-2 in den letzten Jahren ist die hohe Toxizität der zugelassenen Applikationsformen (Infusion oder Injektion von IL-2). Fieber, Schüttelfrost und massive Gewebeödeme durch das „Vasculary Leakage Syndrome“ erlauben keine Anwendung beim „typischen“ älteren Tumorpatienten. Es werden daher seit langem andere Anwendungs-Wege gesucht, zum Beispiel der Einsatz von Zelltherapien mit IL-2 stimulierten Zellen oder mit IL-2 stimulierten Immunzellen, die mit chimärischen Antigen Rezeptoren genetisch verändert sind (2014 Rosenberg Zitat siehe oben). Ein eleganter Weg zur Reduktion der Nebenwirkungen sind andere Applikationsformen. Ein Beispiel ist die Inhalation von IL-2 (1993 Huland et al: Interleukin-2 by inhalation: Local therapy for metastatic renal cell cancer, J Urol 147, 344). Weltweit wurde in der Literatur inzwischen von ca. 800 Patienten – überwiegend mit mRCC, manche mit Melanom und weitere mit anderem Primärtumor wie Brustkrebs oder Ovarialkarzinom – berichtet, die die inhalative IL-2 Therapie gut vertrugen und erfreuliche Hinweise lieferten für die Effektivität dieser Therapie bis hin zu kompletter Tumorremission in der Lunge bei alleiniger inhalativer Applikation. Die jüngste Publikation zur Inhalation von IL-2 stammt aus San Francisco (2014 Posch et al Low-dose inhalation of IL-2). Die lokale Anwendung von IL-2 z.B. durch Instillation in die Harnblase bei Blasenkrebs, durch Inhalation in die Lunge bei pulmonalen Metastasen, durch lokale direkte Injektion in Tumorbereiche orientiert sich am physiologischen Wirkmechanismus und verändert das Nebenwirkungsprofil von Interleukin-2 substantiell. Das natürliche IL-2 steht schon lange nicht mehr zur Verfügung. Um robustere Varianten von IL-2 für die Arzneimittelbehandlung zu entwickeln, haben Huland und Kollegen daher 2006 eine Orphan Designation bei der EMA für das pulmonal metastasierte Nierenzellkarzinom erarbeitet und setzen aktuell diese Arzneimittelentwicklung um. Derzeit werden mit dem innovativen IL-2 in neuen Formulierungen bei Pferden mit Papilloma Virus-induzierten Tumoren tiertoxikologische Untersuchungen mit erfreulich guten Ergebnissen durchgeführt. Das innovative IL-2 steht für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Die Entwicklung eines innovativen, robusten IL-2 Arzneimittels für Spezialapplikationen eröffnet kuratives Potential für Patienten mit dringendem Bedarf und bietet uns allen neue Forschungs- und Entwicklungsansätze, um das Potential von IL-2 auszuschöpfen.
Prof. Dr. Christian Doehn, Lübeck
Herr Prof. Dr. C. Doehn, Koordinator der aktuellen S3 Leitlinie, gab einen Überblick über Diagnostik, Therapie und Nachsorge beim Nierenzellkarzinom:
Im September 2015 wurde die erste S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms fertiggestellt und online publiziert (http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Nierenzellkarzinom.85.0.html). Die Leitlinie entstand unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) sowie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) und wurde von Vertretern 30 verschiedener Fachgesellschaften bzw. Fachgruppen erarbeitet. Sie richtet sich an Ärztinnen und Ärzte der hausärztlichen Versorgung, niedergelassene und klinisch tätige Urologen, Onkologen etc., Pflegekräfte und Therapieberufe, Organisationen der Patientenberatung, Selbsthilfegruppen sowie Kostenträger. Inhaltlich wird hinsichtlich der Tumorsituation vor allem auf Pathologie und Staging des Nierenzellkarzinoms eingegangen. Bei der operativen Therapie werden die verschiedenen Möglichkeiten des organerhaltenden Vorgehens behandelt. Ferner wird ein individuelles Nachsorgeschema vorgestellt. Beim mRCC geht es neben den verschiedenen medikamentösen Ansätzen um die mögliche Rolle operativer und strahlentherapeutischer Verfahren. Eine Übersicht zu supportiven Maßnahmen sowie komplementären und palliativmedizinischen Aspekten komplettiert die Leitlinie. Im Sommer 2016 wird ein Amendment den aktuellen Entwicklungen der medikamentösen Therapie Rechnung tragen. Die Leitlinie hat insgesamt eine Gültigkeit bis zum Herbst 2018.
Prof. Dr. Michael Siebels, München
Herr Prof. Dr. M. Siebels berichtete über den aktuellen Stand bei der Therapie des Nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinoms (RCC):
Während sich die operative Therapie des lokal begrenzten Nicht-klarzelligen RCC nicht von der des klarzelligen RCC unterscheidet und gute Heilungsergebnisse erzielt, ist die Therapie des Nicht-klarzelligen metastasierten RCC (mRCC) trotz der vielen neuen zugelassenen Therapieformen immer noch ein großes Problem. Dies schlägt sich auch in den bisher publizierten internationalen Leitlinien nieder. Leitlinien wie die der EAU (European Association Urology), der ESMO (European Society Medical Oncology), der NCCN (National Comprehensive Cancer Network) geben entweder keine Hinweise zur Therapie des Nicht-klarzelligen mRCC oder übernehmen dafür die Therapie vom klarzelligen mRCC. In der aktuellen deutschen S3 Leitlinie wird die Therapie des Nicht-klarzelligen mRCC ebenfalls ausgeblendet, soll aber im kommenden Amendment aufgegriffen werden. Ein Problem ist sicherlich, dass sich die meisten Studien mit dem sehr viel häufigeren klarzelligen mRCC beschäftigten. Ein weiteres Problem ist die uneinheitliche histologische Einordnung. Dies soll sich in Zukunft mit der neuen ISUP Einteilung ändern, die auch die neue WHO Klassifikation 2016 des RCC verändern wird. Bis sich jedoch speziell auf das Nicht-klarzellige mRCC zugeschnittene Therapien entwickeln, wird noch einige Zeit vergehen. Patienten mit Nicht-klarzelligem mRCC sollten, wenn möglich, an den (wenigen) Studien teilnehmen. Derzeitige Therapie-Empfehlungen (mTOR Inhibition, VEGF Blockade) richten sich zwar (noch) am klarzelligen mRCC aus, sind aber scheinbar bei den verschiedenen Formen der Nicht-klarzelligen RCCs nicht sehr wirksam. Weitere Studien mit etablierten Substanzen sind daher eher nicht zielführend. Die Entwicklung neuer Therapien mit Hilfe von Biomarkern oder aufgrund neuer histopathologischer Entwicklungen müssen unterstützt werden. Der gerade sich in der Zulassung befindliche Checkpoint-Inhibitor Nivulomab scheint eventuell auch eine neue Therapieoption beim Nicht-klarzelligen mRCC zu sein, womit erneut die große Bedeutung der Immuntherapie beim mRCC bestätigt wird.
Dr. Zoltan Varga, Sigmaringen
Herr Dr. Z Varga, Chefarzt aus Sigmaringen, gab seine Einschätzung darüber ab, was sich durch die Zulassung von Nivolumab in der Therapie des mRCC ändern wird:
Die Prognose des fortgeschrittenen RCC ist auch in der Ära der zielgerichteten Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren ernst. Die 5 Jahre Überlebenszeit liegt bei 10 bis 15 %. Tumore entwickeln unterschiedliche Escape-Mechanismen, um ihrer Zerstörung durch eine systemische Therapie oder durch das Immunsystem zu entgehen.
Insbesondere bei der antitumoralen Immunantwort gibt es Ansatzpunkte, die der Tumor nutzt, um die Immunreaktion abzuschalten. Hier setzt der Mechanismus der Checkpointinhibitoren, zu dem auch Nivolumab zählt, an. Die Substanzen verteidigen die Immunreaktion vor Angriffen durch den Tumor. In der Zulassungsstudie Checkmate 025 konnte bei der Zweitlinientherapie gegenüber Everolimus ein signifikanter Vorteil im medianen Gesamtüberleben von 5,4 Monaten bei guter Verträglichkeit aufgezeigt werden.
Die Zulassung in Deutschland in der Zweitlinientherapie des Nierenzellkarzinoms für Nivolumab wird im Frühjahr 2016 erwartet. Die Substanz hat in den bisherigen Studien bei einem Teil der Patienten langfristige Remissionen gezeigt, Synergieeffekte mit anderen Systemtherapien werden postuliert. Es besteht die Hoffnung, dass zukünftig das fortgeschrittene Nierenzellkarzinom in eine „chronische“ Erkrankung, wenigstens bei einem Teil der Betroffenen, überführt werden kann.